
"Kehrt um und glaubt an das Evangelium!" Diese Botschaft aus dem Markusevangelium gibt uns Jesus zuallererst. Das bedeutet mehr, als sich von den Sünden abzuwenden. Es bedeutet auch, die Spielregeln der Welt zu hinterdenken und auf die Logik Gottes zu vertrauen. Mehr dazu von Kaplan Hubertus Kerscher in seiner Predigt zum 29. Sonntag im Jahreskreis am 17. Oktober 2021.
Der Ober sticht den Unter. Die einen haben das sagen, andere nicht. In unserer Welt gibt es Spielregeln, die man kapieren muss, damit man erfolgreich ist. Manche Regeln sind offensichtlich, andere lernt man erst auf die harte Tour. Es gehört schließlich zum Erwachsenwerden, dass man diese Welt durchschaut.
Jakobus und Johannes, zwei Jünger aus dem heutigen Evangelium, haben die Logik dieser Welt nun auch auf das Reich Gottes angewandt. Sie wollen in der Herrlichkeit die Ehrenplätze links und rechts neben Jesus. Dafür sind sie sogar bereit den Kelch Jesu zu trinken und seine Taufe auf sich zu nehmen – also das Martyrium durchzustehen.
Die anderen Jünger bekommen das mit und ärgern sich über ihre ehrgeizigen Kollegen. Von Jesus wird das nicht gesagt. Er antwortet schlicht ehrlich: „Ihr wisst nicht, worum ihr bittet“ und „Die Plätze im Reich Gottes habe nicht ich zu vergeben“ – die anderen Jünger aber finden die Ambitionen ihrer Mitbrüder empörend.
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Jetzt greift Jesus ein – eine Belehrung ist fällig und zwar an alle. Jakobus und Johannes, aber auch die anderen 10 in ihrem Ärger haben das Wesentliche versäumt: Das Reich Gottes, das Evangelium, hat eine andere Logik als diese Welt. Die allererste Anweisung, die uns Jesus im Markusevangelium gibt, lautet so: „Kehrt um und glaubt an das Evangelium!“ Metanoiete heißt es auf Griechisch. Ganz wörtlich eigentlich: „Ändert den Sinn“! Umkehren ist nicht nur eine moralische Kategorie, indem wir sozusagen von allen Sünden weggehen. Umkehren ist erst einmal eine intellektuelle, eine geistige Aufgabe. Das Evangelium verlangt uns den Mut ab, die Spielregeln der Welt zu hinterdenken. Es heißt nicht, keine Ziele mehr zu haben: Kein Heiliger und keine Heilige der Kirchengeschichte war je ambitionslos! Es gibt nur einen wichtigen Unterschied zwischen heilig werden wollen und heilig- gesprochen werden wollen.
Dazu braucht es neben aller Denkkraft dann auch Vertrauen. Vertrauen in die Logik Gottes und das Evangelium Jesu: Ein Vertrauen darauf, dass Selbstlosigkeit nicht bedeutet, sich selbst zu verlieren; dass zu bereuen nicht heißt zu scheitern. Ein Vertrauen darauf, dass ich im Willen Gottes wahre Freiheit finde. Ein Vertrauen darauf, dass wahre Erlösung nicht bedeutet, aufzusteigen, sondern geliebt zu werden.
Jakobus und Johannes und der Rest, der sich echauffiert, sie alle denken immer noch in Rangfolgen. Sie sind durchaus opferbereit, aber das soll sich auszahlen. Sie hängen noch in der Logik der Welt fest. „Bei euch soll es nicht so sein!“ sagt uns Jesus. Und trotzdem ist es bei uns oft so. Das ist erst einmal nicht überraschend, denn wir sind Kinder dieser Welt und in ihrer Logik erwachsen geworden. Doch wir sind auch Kinder Gottes. In uns allen steckt die Sehnsucht nach dem größeren Sinn, nach Ewigkeit. All das finden dort, wo wir uns und die Welt hinterdenken können.
Hubertus Kerscher
Kaplan im Pfarrverband Pocking