
In Pracht und Gloria erschien Jesus weder bei seiner Geburt im Stall noch setze er bei seinem Ritt nach Jerusalem auf einen aufsehenerregenden Auftritt. Eine große Show auf einem edlen Ross oder mehreren Pferden die einen geschmückten Streitwagen vorgespannt gewesen wären gab es bei ihm nicht. Er ritt einfach nur auf einem schlichten Esel in die Stadt - aber warum? Das erklärt Domdekan Dr. Hans Bauernfeind in seiner Predigt zum Palmsonntag am 28. März 2021.
Es kommt nicht oft vor, dass ein Ferrari zum Passauer Domplatz hochfährt. Allein der donnernd-verhallende Motorsound des Luxuswagens zieht viele Blicke an. In alttestamentlicher Zeit war in Israel das Pferd das Luxus-Fortbewegungsmittel. Mit ihm verband man auch das Schlachtross des Kriegers und die Zurschaustellung von Macht.
Wenn der Gottessohn Jesus Christus heute in Jerusalem einzieht, um seinen Weg als wahrer Mensch und wahrer Gott zu vollenden, kommt er nicht mit dem Ferrari seiner Zeit. Er reitet auf einem Esel. Mit diesem Tier waren die Menschen gern unterwegs. Man konnte ihm viel Last auflegen und Wertvolles transportieren. Ebenso galt der Esel als ein Zeichen unaufdringlicher Vornehmheit. Wenn Jesus also auf einem Esel in Jerusalem einzieht, dann scheint darin die Vornehmheit Jesu als Gottessohn und Menschensohn auf. Sie basiert nicht auf versnobten Hoheitsansprüchen menschlichen Königtums. Sein Status entspringt dem Himmel.
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Denn er, der Sohn Gottes ist, scheut sich nicht, Mensch unter Menschen zu werden. Zugleich bringt er den Lebensstil Gottes in die Welt. Das meint: Respekt voreinander zu haben, die Freiheit zu achten, mit reinem Herzen dem Nächsten zu begegnen und ihn zu lieben wie sich selbst. Das meint: Alle Menschen ernst zu nehmen, sie in ihrer Würde zu schützen, Gewalt, Missbrauch und Demütigung aufzuklären und davon zu befreien. Das meint: Die Schöpfung als Geschenk Gottes zu sehen und Gott zu lieben. Vor allem bezeugt er, dass Gott die Gemeinschaft mit dem Menschen sucht. Dafür geht Jesus bis zum Tod am Kreuz. Vor diesem Hintergrund reitet Jesus mit einem Esel in die Stadt hinein und macht sich auf den Weg des Erlösungsleidens, das wir in der Karwoche mitvollziehen. Aber dieser Weg wird sich in der Auferstehung vollenden. Der Lebensstil des Reiches Gottes überwindet alles unterdrückende „Hoch-zu-Ross-Gehabe“ und besiegt den Tod.
Der Kirche unserer Tage wird es guttun, an der Vornehmheit Jesu, an seinem himmlischen Lebensstil wieder neu Maß zu nehmen. In der Geschichte ist ihr dies gelungen. Lassen wir uns als Kirche also neu darauf ein, der „Kirchen-Esel“ zu sein, der Jesus trägt. Lassen wir uns von ihm leiten. Er wird uns gute Wege in die Zukunft führen.
Dr. Hans Bauernfeind
Domdekan