
"Fratelli tutti" lautet der Titel der Papst-Enzyklika über Geschwisterlichkeit und die soziale Freundschaft. Veröffentlicht hat sie Papst Franziskus am 3. Oktober 2020. Zum Tag der Deutschen Einheit passt das sehr gut, betont Domkapitular i.R. Helmut Reiner in seiner Predigt zum 27. Sonntag im Jahreskreis am 3. Oktober 2021.
Am 3.Oktober 1226 starb Franz von Assisi in einer Kapelle mit Namen „Transito“ also „Übergang“, jetzt Teil der Basilika „Maria dell Angeli“ unterhalb von Assisi. Franziskus hat sich in der Gefangenschaft im Krieg mit Perugia vom verwöhnten, reichen Kaufmannssohn zu einem Menschen gewandelt, dem die Liebe zu Gott und den Menschen am wichtigsten wurde. Bonaventura, als Kleinkind von Franziskus geheilt, später der Ordensobere, sagte über den Gründer der Minderbrüder: „In ihm wurde die Güte Gottes unseres Erlösers sichtbar“. Aber nicht nur Assisi spielte bei Franziskus eine Rolle, sondern auch der Berg La Verna. Als der Rummel um seine Person zu groß wurde, zog er sich dorthin zurück. In einer Vision erlebte Fanziskus einen Seraph, einen Engel mit sechs Flügeln, zwischen denen das Bildnis des Gekreuzigten sichtbar wurde, die Wundmale seines Herrn. Weil Franziskus sie versteckte, entdeckten seine Mitbrüder sie erst bei seinem Tode.
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Kurienkardinal Joseph Ratzinger betonte 1988 im Heiligtum auf dem Berg von La Verna in einer Predigt: „Der Aufstieg zur göttlichen Höhe ist wie bei Franziskus immer ein Abstieg zu den Geringsten. Wer die Höhe des inneren Lebens sucht, dem erscheint Gott in der Demut des Kreuzes. Gott lässt uns zusammen mit ihm herabsteigen zu seinen geringsten Brüdern. Die Wundmale Christi nennen wir griechisch Stigmata. Wir leben oft nicht nach der Einsicht des Paulus: „Ich bin mit Christus gekreuzigt worden. Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir“. Wir fliehen eigene Leiden, stigmatisieren aber andere Menschen, indem wir schlecht über sie denken und reden. Franziskus lag krank, abgemagert, fast blind auf dem Boden der Capella del Transito und soll gesagt haben: „Ich gehe von euch mit meinem Leib, aber mein Herz lasse ich hier.“ Als Jorge Mario Bergoglio, dem Erzbischof von Buenos Aires klar wurde, dass die Kardinäle ihn wählen und er einen Papstnamen braucht, sagte ein Kollege aufmunternd und mahnend: „Vergiss die Armen nicht.“ Da wusste er spontan: Franziskus nenne ich mich. Zeigen wir Liebe und Achtung allen Mitmenschen, ob sie ferne von uns sind, oder ob wir mit ihnen zusammen sind, denn wir sind alle Brüder. Das passt auch zur deutschen Einheit. „Fratelli tutti“: So beginnt die Enzyklika des Papstes über die Geschwisterlichkeit und die soziale Freundschaft, gegeben am 3.Oktober 2020.
Helmut Reiner
Domkapitular i.R.