
Die Gunst der Stunde zu nutzen, eine einmalige Gelegenheit beim Schopf zu packen, dass alles ist oft leichter gesagt als getan. In seiner Predigt zum 3. Sonntag im kirchlichen Jahreskreis am 24. Januar 2021 spricht Dompropst Dr. Michael Bär über die Fähigkeit den richtigen Zeitpunkt zu erkennen und sich führen zu lassen.
Jene Menschen bewundere ich besonders, die ein Gespür haben für den rechten Augenblick. Sie versäumen keinen wichtigen Zeitpunkt. Sie wissen, wann Sie aufhören müssen und wann es gilt, beherzt mit etwas anzufangen. Solche Menschen nenne ich lebenstüchtig. Wir begegnen ihnen in den heutigen Lesungen.
Da sind die Bewohner der Stadt Ninive. Jona spricht zu ihnen, warnt sie, daß sie den Bogen endgültig überspannt hätten. Er droht ihnen mit dem Strafgericht Gottes. Vor ihm, einem einzelnen Mann, hätten sie keine Angst haben müssen. Aber doch sehen sie ihre Schuld ein und kehren um. Gerade noch zur rechten Zeit. Der Untergang war nahe, das war ihnen bewußt geworden.
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Die beiden Fischer Simon und Andreas werden ebenfalls angesprochen, anders weiterzuleben. Jesus fordert sie auf und sie folgen ihm aufs Wort. Sie haben auf den Messias gewartet, daß der kommt und sie führt. Das Reich Gottes ist nahe, diese Parole ist für die beiden das Stichwort, augenblicklich zu reagieren. Nichts mehr ist von nun an wichtiger, als für das Reich Gottes zu arbeiten.
Wer gibt uns den rechten Anstoß, entdeckt unsere Fähigkeiten und fordert uns auf, eine beherzte Entscheidung zu treffen. Manche mögen solche Momente aufzählen können, in denen sie hingewiesen wurden, daß die Zeit reif sei zum Handeln: Die Ermunterung, endlich zu heiraten. Der mutmachende Rat, diesen oder jenen Beruf zu ergreifen. Der unbequeme Hinweis doch endlich von der Sucht zu lassen. Wie schwer haben es da die Entscheidungsschwachen, die alles drehen und wenden, jeden Schritt genauestens abwägen und schließlich doch nicht vom Fleck kommen, hängenbleiben beim alten Standpunkt.
Gott sendet beinahe jeden Tag einen Propheten zu mir mit dem Ruf, umzukehren, mich zu ändern. Gott sei Dank; denn so weiß ich, daß er an mir interessiert ist, daß er auf meine Hilfe in seinem Reich nicht verzichten möchte. Keine leichte Sache, die Gott uns da zumutet, das wußten schon die Leute von Ninive und erst recht die Jünger.
Die Griechen verehrten den günstigen Zeitpunkt als eigene Gottheit. Sie nannten ihn Kairos. Flügel trägt er an den Gliedern, weil er rasch vorbeifliegt. Ein Büschel Haar fällt ihm ins Gesicht, damit ich ihn beim Schopf packen kann. Am Hinterkopf ist er kahl, denn einmal vorüber kann ich die Gelegenheit nicht mehr ergreifen. So ist es. Amen.
Dr. Michael Bär
Dompropst