
Noch immer werden Menschen aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit diskriminiert oder müssen sogar um ihr Leben fürchten - auch in Deutschland greift derzeit der Antisemitismus wieder um sich. Mehr dazu vom Leiter des Exerzitien- und Bildungshaus Spectrum Kirche, Bernhard Kirchgessner in seiner Predigt zum 33. Sonntag im kirchlichen Jahreskreis, am 17. November 2019.
Hart, richtig hart ist das Evangelium dieses Sonntags: Jesus weissagt die Zerstörung Jerusalems, die im Jahre 70 nach Christus eintritt, warnt vor falschen Propheten, kündigt Erdbeben, Seuchen und Hungersnöte an, und als wäre das nicht genug, stimmt er die Jünger auch noch auf Verrat, Verfolgung und Verhaftung ein. Viel härter kann´s wohl nicht mehr kommen.
Vertreibung, Folter – des Glaubens wegen. Aber nicht nur damals in Palästina, nicht nur zur Zeit der Kaiser Nero und Diokletian, sondern auch heute. Aktuell werden ca. 200 Millionen Christen in 50 Ländern dieser Erde ihres Glaubens wegen bedroht, verfolgt, vertrieben. Besonders im Nahen und mittleren Osten nehmen die Repressalien gegen Christen so stark zu, dass
viele aus dem Heiligen Land, der Heimat Jesu, wegziehen. Nie war Christsein so gefährlich wie heute.
Wie gut haben wir es dagegen im freien Westen. Wir können ungehindert unseren Glauben ausüben und zum Gottesdienst gehen; doch viele Christen gehen am Sonn- und Feiertag lieber andere, eigene Wege. Einige in unserem Lande meinen allerdings, Religionsfreiheit stünde unseren jüdischen Mitbürgern nicht zu. Wer antisemistisch agiert, wer Menschen in Synagogen angreift, muss die volle Härte des Gesetzes und unsere Solidarität mit den Juden, unseren Schwestern und Brüdern, spüren.
Die Verrohung unserer Gesellschaft lässt mich fragen: Ist Gott für viele Zeitgenossen bedeutungslos geworden? Gilt sein Wort nichts mehr? Meint der moderne Mensch auf die zehn Gebote und auf die Seligpreisungen verzichten zu können? Braucht es überhaupt Gott? Das Leben vieler Zeitgenossen belegt doch: es geht auch ohne! Wozu dann Gott? Doch wer genau hinschaut, entdeckt, dass unsere Gesellschaft für die Gottvergessenheit einen verdammt hohen Preis zahlt: Wo Gottes Gebote nichts mehr gelten, da macht sich Egoismus, Verrohung, Hass und Gewalt breit.
Ich bin wahrlich kein Pessimist, aber ich glaube, wir gehen nicht unbedingt rosigen Zeiten entgehen. Die Mitte bricht weg – nicht nur politisch. Und mit der Mitte verlieren wir das das Maß. Das Gespür füreinander, die Achtung voreinander, die Solidarität untereinander.
Und mit dem Verlust der Mitte und des Maßes geht ein ungeheurer Glaubens-verlust einher. Das kann man nun lange beklagen, besser jedoch ist es, wir wenden das Blatt. Wer ist wir? Sie und ich! Besser ist es, wir zünden in uns, in unserem Umfeld und in unserer Gesellschaft ein Licht an, als über die Dunkelheit in der Welt zu schimpfen. Besser ist es, wir wenden uns wieder entschieden dem wahren Licht zu, dem Licht Gottes, das in Christus in diese Welt kam. Es täte uns gut, würden wir wieder das Licht der Zehn Gebote, und der Seligpreisungen entdecken; es könnte uns den Weg durch dunkle Weltennacht weisen. Wenn überhaupt ein Licht gegen das Dunkel dieser Zeit ankommt, dann Christus, das Licht. Sein Licht leuchte uns — und den Gefallenen und Opfern von Krieg, Terror und Gewalt, deren wir heute gedenken.
Predigt von Bernhard Kirchgessner (Leiter Exerzitien- und Bildungshaus Spectrum Kirche)