
Laut dem Paritätischen Armutsbericht 2018 leben 13,7 Millionen Menschen in Deutschland in Armut – das heißt: mit einem Netto-Einkommen von unter 1.100 Euro monatlich. Gemäß den Statistiken der UNO leben 1.2 Milliarden Menschen mit einem Einkommen von 1.25 Dollar oder weniger pro Tag. Konrad Niederländer, Diakon und Bischöflicher Beauftragter des Diözesan-Caritasverbands erklärt in seiner Predigt zum Caritassonntag am 29. September 2019 was Reichtum und Armut vor Gott eigentlich bedeuten.
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Diakon Konrad Niederländer, Bischöflicher Beauftragter, Caritasvorstand Predigt zum Caritassonntag, 29. September 2019
Liebe Schwestern und Brüder,
„Adel verpflichtet“, hat man früher gesagt. Das heißt, eine höhere gesellschaftliche Stellung verpflichtet zu Verhaltensweisen, die von anderen nicht unbedingt erwartet werden. Heute steht bei uns im Grundgesetz: „Eigentum verpflichtet“. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen. Das Gleichnis vom armen Lazarus und dem reichen Mann, das wir in der Liturgie des kommenden Sonntags – am Caritas-Sonntag – hören, erinnert mich an diesen gesellschaftlichen Anspruch.
Dieses Gleichnis lässt zunächst vermuten, dass hier eben besonders der Reiche gefordert gewesen wäre. Auf den ersten flüchtigen Blick könnte man denken, nach dem Tod gibt es nun eine ausgleichende Gerechtigkeit. Der Arme lebt dann in Saus und Braus, der Reiche schaut dumm aus der Wäsche. Die Verhältnisse werden ganz einfach umgedreht. Und so antwortet ja auch Abraham auf das Gejammere des Reichen: „Denk daran, dass es dir im Leben immer gut gegangen ist, Lazarus aber schlecht.“ Werden also die bösen Reichen nach dem Tod bestraft, die lieben Armen belohnt? Nein, ich denke, so einfach ist das nicht, wie es der erste flüchtige Blick erscheinen lässt.
Wenn wir genauer hinschauen, merken wir, dass der Reiche nicht nur reich war, sondern auch von Gottes Geboten nichts wissen wollte. Ihn ließ der Arme vor der Haustür kalt. Der musste mit den Brotfladen vorliebnehmen, die die Reichen einfach unter den Tisch fallen ließen. Er wusste sehr wohl, dass die Gebote Gottes Mildtätigkeit und Barmherzigkeit forderten, beachtete es aber nicht. Er wusste, er hätte nach Gottes Willen anders leben müssen, denn in der Hölle will er ja nun erreichen, dass sich wenigstens noch seine Brüder ändern, die genauso leben, wie er lebte. Sein Problem war demnach nicht der Reichtum an sich, sondern dass er nichts davon abgeben wollte.
Und der arme Lazarus kam auch wohl nicht deshalb in den Himmel, weil er so mildtätig war. Er konnte es ja auch gar nicht sein. Aber auch seine Armut und sein Leiden an sich waren nicht der Grund. Das Geheimnis, warum Lazarus in den Himmel kam, steckt vielmehr in seinem Namen. Lazarus heißt aus dem Hebräischen übersetzt: „Gott hilft“. Lazarus war also ein Mann, der darauf vertraute, dass Gott hilft. Er glaubte also! Das allein ist es, was uns in den Himmel bringt: Das Vertrauen auf Gottes Hilfe, der Glaube an Jesus Christus.
„Es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr geht, als dass ein Reicher ins Reich Gottes kommt“, sagt Jesus im Markus-Evangelium. Der Grund ist, dass ein Reicher sein Herz eher an den Reichtum, an sein Vermögen hängt. Sein Herz ist besetzt; es ist nicht frei, Jesus zu lieben und ihm zu vertrauen.
Wer sich frei im Glauben an Jesus Christus aufmacht und sich in seiner Nachfolge an die Seite der Menschen stellt, der gewinnt Leben, ewiges Leben. Aus dem Glauben erwächst Nächstenliebe, vorbehaltlose Liebe. Kurz gesagt Caritas.
Die meisten von uns zählen vielleicht nicht zu den Reichen, aber den meisten von uns geht es gut, haben mehr als sie zum Leben brauchen.
Öffnen wir von Jesus gerufen also unser Herz für die Notleidenden und Bedürftigen. Ich lade uns alle ein, am Caritas-Sonntag und in der Caritas-Sammelwoche wieder in besonderer Weise an die zu denken, denen es nicht so gut geht, an alte und kranke Menschen, an Arme und Schwache, an Ausgegrenzte und Benachteiligte, Obdachlose und Heimatlose, an Pflegebedürftige und Sterbende – hier bei uns und in der weiten Welt.
Ich danke allen von Herzen, die sich haupt- und ehrenamtlich für die Caritas engagieren, in diesen Tagen besonders den Sammlerinnen und Sammlern und allen, die helfen Not zu lindern. Vergelt´s Gott Ihnen allen!
Konrad Niederländer — Diakon und Bischöflicher Beauftragter des Diözesan-Caritasverbands