Die Kirche wird kleiner, zur "wahren Kirche", zu einer Elite, so richtig schnuckelig? Die Kirche der Zukunft: eine Kuschelecke? Derartige Vergleiche fallen heutzutage. Nichts davon aber gibt es im Evangelium zu lesen. Ganz im Gegenteil! Wohin die Reise gehen sollte und wie sich also Papst Franziskus den synodalen Weg vorstellt - darüber spricht Dr. Bernhard Kirchgessner, Leiter des Exerzitien- und Bildungshauses Spectrum Kirche Passau, in seiner Predigt zum 16. Sonntag im kirchlichen Jahreskreis.
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Die Zahl der Probleme in unserer Kirche ist Legion. Um dieses Problemknäuel zu entwirren, haben unsere Bischöfe beschlossen, einen synodalen Weg einzuschlagen, auf dem im Dialog von Laien und Bischöfen das Knäuel entwirrt werden soll. In diesen Prozess hat sich jüngst Papst Franziskus mit einem langen Brief „an das pilgernde Volk Gottes in Deutschland“ eingeklinkt. Er setzt darin drei Leitplanken für den synodalen Weg und schreibt: Das Evangelium und der Heilige Geist seien „Licht und Führer“ auf diesem Weg. Schauen wir also zunächst in die Heilige Schrift, in die Texte dieses Sonntags. Paulus schreibt im Brief an die Gemeinde in Kolossä „Christus ist unter euch. Ihn verkünden wir.“ Also Christusverkündigung. Man könnte es auch Evangelisierung nennen. „Evangelisieren bildet die eigentliche und wesentliche Sendung der Kirche“, so papa Francesco, damit die Menschen erfahren: Gott hat in Jesus von Nazareth konkrete Gestalt angenommen und ein menschliches Antlitz bekommen.
Diese frohe Nachricht soll möglichst viele Menschen erreichen, wie es uns Jesus im Matthäusevangelium aufträgt: „Darum geht und macht alle Völker zu meinen Jüngern.“ (Mt 28,10) Papst Franziskus bittet, darauf zu achten, das Volk Gottes nicht „auf eine erleuchtete Gruppe reduzieren zu wollen“. Es gibt ja die Tendenz zu sagen: Die Kirche wird kleiner, sie wird zur wahren Kirche, zu einer Elite, richtig schnuckelig. Doch davon lesen wir im Evangelium nichts. Nirgendwo ist von Kirche als einer Kuschelecke mit Schmusedecke die Rede. Im Gegenteil.
In seinem Brief empfiehlt uns der Papst daher zu fragen: „was der Geist heute der Kirche sagt, um die Zeichen der Zeit zu erkennen“. Die dritte Leitplanke ist also das Ringen um die Erkenntnis des Willens Gottes. Was will Gott in dieser Stunde für die Kirche, was will er für mich und wie können wir seinen Willen erkennen? Antwort: Durch Leitplanke I: Das Lesen der Heiligen Schrift. Durch Leitplanke II: Das Hören auf die Stimme des Heiligen Geistes. Durch Leitplanke III: Das Gebet um das Kommen des Geistes und durch Schweigen, denn nur im Schweigen enthüllt sich Gott, niemals im Lärm.
Aus diesem Grunde erhoffe ich mir einen Aufruf der Bischöfe an das „pilgernde Volk Gottes in Deutschland“ den Heiligen Geist zu bitten, ja zu bestürmen, uns alle Gottes Willen erkennen zu lassen. Das müsste unbedingt mit dem synodalen Weg einher‑, ja, diesem vorausgehen. Verehrte Bischöfe, wir wär´s mit einer Novene in diesem Anliegen? Wie eingangs erwähnt, haben wir als Kirche in der Tat derzeit einen Problemberg vor uns. Wir lösen diesen aber nur, wenn endlich ein spiritueller Ruck durch Deutschlands Kirche geht, der uns die Augen für die wahren Ursachen der Krise öffnet, für den Verlust unserer geistig-geistlichen Kompetenz, und uns erkennen lässt, wie dringend nicht nur die Welt, sondern allen voran die Kirche der Evangelisierung, der Erneuerung im Heiligen Geist bedarf. Ansonsten laborieren wir an Symptomen, schlagen aber nicht den Heilungsweg ein.
Nochmals: Was empfiehlt uns Papst Franziskus? Evangelisierung – mit Hilfe der Heiligen Schrift, mit Hilfe des Heiligen Geistes, mittels Gebet und Schweigen. Und vergessen wir nicht: Evangelisierung beginnt nicht beim Nachbarn, Evangelisierung beginnt bei mir selbst.
Dr. Bernhard Kirchgessner
Leiter Exerzitien- und Bildungshaus Spectrum Kirche Passau