
Wie können wir als Christen das Testament einlösen und leben, was dort geschrieben steht? Jesus hat die Antwort (in seinem Testament an die Jünger): Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe! Mehr dazu von Dr. Bernhard Kirchgessner, Leiter des Exerzitien- und Bildungshauses Spectrum Kirche Passau, in seiner Predigt zum 5. Sonntag der Osterzeit am 19. Mai 2019.
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Es war ein Sonntagnachmittag im Herbst. Mein Vater, der wusste, dass er aufgrund einer Krebserkrankung nicht mehr lange zu leben hat, rief meine Mutter, meine Schwester und mich zusammen und teilte uns mit, dass aller Besitz im Todesfall an unsere Mutter überginge, damit diese sich nicht sorgen müsse. Doch nicht genug damit. Vater wollte, dass auch nach Mutters Ableben das Erbe geregelt sei. Er hatte in so mancher Familie gesehen, wie sich die Kinder in Erb-angelegenheiten heillos zerstritten hatten und nie wieder miteinander sprachen. Genau das wollte er verhindern. Und er hat es auch verhindert. Am Ende dieses Nachmittags besaß er nur noch das nackte Leben, um das er in den folgenden Wochen kämpfte.
Eine vergleichbare Situation schildert uns das heutige Evangelium. Nachdem Judas die Mahlgemeinschaft des Abendmahlssaals verlassen hatte um Jesus für schnöden Mamon zu verraten, begann Jesus mit der sog. Abschiedsrede. Irdischen Besitz hatte er wohl nicht aufzuteilen, und dennoch hielt er für seine Freunde ein Vermächtnis bereit: „Ein neues Gebot gebe ich euch: Liebt einander! Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben.“ Dieses Gebot war und ist nicht so wirklich neu, findet es sich doch bereits im atl. Buch Levitikus: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst!“ (Lev 19,18). Neu ist das Gewicht, das Jesus auf dieses Gebot legt, die Exklusivität, die er für dieses Gebot beansprucht: Über allem die Liebe! Und neu ist die Verpflichtung, die Jesus damit verbindet: „Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid, wenn ihr einander liebt.“ Die Jünger damals und uns, die Christinnen und Christen heute, soll die Welt an der Liebe erkennen, an der Liebe zu Gott, zum Nächsten, zu einander und zu sich selbst. Das, so Jesus, sei das Markenzeichen der Christen!
Sie haben gewiss die Schreckensmeldung der Medien der vergangenen Woche gehört: Wenn nicht ein Wunder geschieht, wird sich die Zahl der Christen in diesem Land von 44 Millionen derzeit auf 22 Millionen im Jahr 2060 halbieren. Ich will hier weder Ursachenforschung betreiben noch Forderungen an Papst und Bischöfe erheben, sondern fragen, was wir, Sie u. ich, tun können, um diesen Trend zu stoppen.
Warum dieser Trend überhaupt gestoppt werden sollte? Weil der christliche Glaube ein wichtiges und tragfähiges Fundament für unsere Familien, für die Gesellschaft, für diesen Staat darstellt. Glaubende Menschen leben im Zeichen der zehn Gebote, der Gottes‑, Nächsten und Selbstliebe; sie achten die Gesetze.
Und wie können wir diesen Trend stoppen? Indem wir Jesu Vermächtnis, seine letzten Worte „Liebt einander!“ leben. An der Liebe soll die Welt uns erkennen. Erweisen wir uns als verlässliche Testamentsvollstrecker Jesu. Stellen wir über allem die Liebe. Das wird andere infizieren und animieren, es uns gleichzutun. Unsere christliche Berufung lautet: Leben wir die Liebe!
Bernhard Kirchgessner