220 Firmlinge des Dekanats Vilshofen waren am Wochenende bei "Sozialen Vormittagen" dabei. Wie fühlt man sich eigentlich, wenn der eigene Alltag z.B. aufgrund einer Demenz-Erkrankung plötzlich zur nervenzehrenden Herausforderung wird? Wie ist es, das eigene Zuhause von heute auf morgen hinter sich zu lassen und mit den wichtigsten sieben Sachen in ein Land umzuziehen, das man sich gar nicht ausgesucht hat? Und wer oder was ist eigentlich diese Caritas, von der man ständig irgendwo liest oder hört?
Mit diesen und noch weiteren Fragen konnten sich die knapp 220 Firmlinge des Dekanats Vilshofen bei den sogenannten Sozialen Vormittagen im Zuge der gemeinsamen Firmvorbereitungstermine auseinandersetzen.
Verantwortet durch den dekanatsweiten Arbeitskreis, in dem sich die haupt- und ehrenamtlichen Verantwortlichen für die Firmung der jeweiligen Pfarrverbände gemeinsam mit dem Kirchlichen Jugendbüro Passau zusammengeschlossen haben, werden diese Termine bereits seit mehreren Jahren organisiert; mit durchwegs positiven Erfahrungen. Maßgeblich mitgestaltet werden die Vormittage von den Kolleg*innen der Caritas. Christian Schacherbauer, Ansprechpartner der Gemeindecaritas für das Dekanat Vilshofen, war selbst an beiden Terminen beteiligt und hat gemeinsam mit weiteren Caritas-Mitarbeiterinnen interessante und aktivierende Workshops gestaltet. Ein großes Ziel der Vormittage ist es, den Jugendlichen zu verdeutlichen, dass Firmung nicht nach dem Firmgottesdienst aufhört. Vom heiligen Geist gestärkt und im Glauben bekräftigt sollen die jungen Menschen lernen, dass mit dem Christ*in-Sein auch eine gewisse Verantwortung einhergeht – sowohl für sich selbst, als auch für andere. Der Einblick in verschiedene soziale Bereiche soll also sowohl Wissen verschaffen und motivieren, wo ich mich selbst für andere einbringen kann, und aber gleichzeitig sensibilisieren und aufmerksam machen von Nöten und Herausforderungen anderer Menschen und unserer Gesellschaft.
Beim ersten Vormittag, der bereits Ende November im Pfarrzentrum in Vilshofen stattfand, wurden für die Firmlinge aus den Pfarrverbänden Vilshofen, Aldersbach und Alkofen vier soziale Workshops angeboten. Annemarie Ritzinger von der Caritas bot einen interaktiven Demenzparcours an, bei dem es darum ging, sich hautnah in die Situation demenzkranker Menschen hinein zu fühlen und Herausforderungen, denen pflegende Angehörige möglicherweise begegnen, zu erkennen. Die Firmlinge durften zum Bei-spiel ausprobieren, ein Hemd oder eine Jacke mit großen Arbeitshandschuhen zuzuknöpfen – was aber gar nicht so einfach ist, wenn die Motorik und Feinfühligkeit der eigenen Finger nicht mehr so funktioniert, wie man es denn vielleicht gerne hätte. An-gelika Leitl-Weber und Claudia Zwicklbauer von der Bahnhofsmission stellten ihre vielfältigen Hilfsangebote und tägliche Szenarien vor, die sich im und um den Passauer Bahnhof abspielen. Als Erstanlaufstelle für Reisende und Ratsuchende sind die dortigen Mitarbeiter*innen oft mit Problemen konfrontiert, für die die Hilfesuchenden selbst nicht (mehr) bewältigen können. Angelika Leitl-Weber und ihre Kolleg*innen bieten dort jedem ein offenes Ohr und versuchen, so gut wie möglich zu helfen. Mit Sabine Greineder, Gemeindereferentin im Pfarrverband Vilshofen, konnten sich die Firmlinge bei einem Spaziergang durch die Stadt Vilshofen hautnah ein eigenes Bild von Einrich-tungen und Hilfsorganisationen vor Ort machen. Gemeinsam wurde z.B. der lokale Weltladen sowie der Kleiderladen besucht. Beim vierten Workshop mit Christian Schacherbauer standen Fragen und Zahlen rund um die Arbeit der Caritas im Vordergrund. Wie viele Caritas-Einrichtungen gibt es eigentlich? Wie viele Menschen arbeiten dort und wie viele Menschen profitieren von den zahlreichen Angeboten und Hilfen der Caritas? Die Antworten zu diesen Fragen sowie der Austausch eigener Erfahrungen er-möglichte den Firmlingen einen wunderbaren Einblick in das große und vielfältige Hilfsnetzwerk des Caritasverbands.
Der zweite Soziale Vormittag fand für die Firmlinge aus Ortenburg, Otterskirchen, Fürs-tenstein und Hofkirchen im Pfarrheim in Eging am See statt. Auch hier fanden wieder insgesamt vier Workshops statt. Weil der Demenzparcours und die Vorstellung der Caritas beim ersten Termin auf so gute Resonanz stieß, wurden diese beiden Workshops nochmal angeboten. Neu hinzu kam ein Angebot von Tanja Morgner, Referentin für youngCaritas in Passau, das den Firmlingen Raum gab, sich mit wichtigen Fragen auseinanderzusetzen: Wie kann eine bessere Welt für uns alle ausschauen? Wo lassen sich diese Wünsche und Visionen den 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung zuordnen? Und was kann ich, ganz persönlich und im Kleinen dafür tun, für die Erreichung dieser Ziele tun? Schlagworte wie Frieden, verantwortungsvoller Umgang mit der Natur oder Gleichberechtigung waren nur einige der genannten Visionen der Jugendlichen. Lisa Schachner, Verantwortliche für die Freiwilligendienste der Caritas, lud mit einem ganz besonderen Gast zum Workshop: die 23-jährige Joudi, geboren und aufgewachsen in Syrien, berichtete hautnah von den Erlebnissen und Erfahrungen ihrer Flucht mit Mutter und Schwester nach Deutschland. Die Firmlinge erhielten durch ein Gedankenexperiment und eine Packliste die Möglichkeit, sich in eine plötzliche Fluchtsituation hinein-zuversetzen und vor allem auch die dazugehörigen Gefühle nachzuempfinden. Sich und das eigene Leben auf seine wichtigsten sieben Sachen zu reduzieren und dann aber eine Gewichtsgrenze von 20 Kilogramm Gepäck nicht zu überschreiten fiel gar nicht so einfach. Die Geschichte einer Geflüchteten aus erster Hand zu hören war für viele etwas ganz Besonderes. Durchwegs alle Firmlinge bewunderten die unbändige Willenskraft und vor allem Joudis Mut, diese Reise auf sich zu nehmen. Trotz jeglicher Hürde, die dann im neuen Land auf dem Weg hin zum Architekturstudium und in ein ganz neues Leben warten. Joudis Wunsch an die Firmlinge: nutzt eure Chancen, nehmt jede noch so kleine Möglichkeit an und macht das Beste draus.
Text und Fotos: Lena Plettl