
In dem ersten Turmobergeschoss des Kirchturms von St. Nikola in Passau haben sich unter einer barocken Tünche spätgotische Wandmalereien erhalten, die das Staatliche Bauamt Passau in diesem Jahr freilegen und restaurieren ließ.
Die aufwendige Malerei mit farbig gefassten Gewölberippen, Ranken aus Laubwerk und figürlichen Darstellungen, die ikonografisch als die Heiligen Barbara, Katharina (Südwand) und Andreas (Nordwand) identifiziert werden können, lassen darauf schließen, dass es sich bei dem Raum um eine mittelalterliche Turmkapelle handelt. Möglicherweise wurde mit diesem Kapellenraum der ehemalige Standort des Agnesaltares wiederentdeckt, der in Quellen von 1471, 1482 und 1639 erwähnt wird, dessen Standort aber bis heute aber nicht bekannt ist. Einen besonderen Bezug haben die Wandmalereien zur Vorweihnachtszeit: Die drei in der Turmkapelle dargestellten Heiligen Katharina, Andreas und Barbara haben — ebenso wie St. Nikolaus, dem die Kirche geweiht ist — ihre Gedenktage zu Beginn der Adventszeit.
Die Wandmalerei, die sich auf das Jahr 1518 datieren lässt, erstreckt sich vollflächig über vier Schildbogenwände, das Kreuzrippengewölbe sowie die Laibungen des ehemaligen gotischen Zugangs und der Fensteröffnung. Die unter barocken Übertünchungen verborgenen figürlichen und floralen Darstellungen wurden mittels Einsatz von ultraviolettem Licht im Rahmen der vorbereitenden Untersuchungen entdeckt, die das Staatliche Bauamt Passau im Zusammenhang mit dem geplanten Einbau einer Treppe im Kirchturm durchführen ließ. Aufgrund der Übermalungen war die Ablesbarkeit der Darstellungen zu Beginn der Restaurierungsmaßnahme kaum möglich. Lediglich partielle Abblätterungen der barocken Tünche und durchscheinende Konturen erlaubten erste Einblicke hinsichtlich malerischer Qualität und Farbigkeit.
Die Reduzierung und Abnahme der barocken Übertünchung erfolgte rein mechanisch mit einem Skalpell unter Zuhilfenahme einer Stirnlupe. Neben der eigentlichen Freilegung lag das Hauptaugenmerk der Restaurierungsmaßnahme auf dem Erhalt der Malerei und des Putzbestandes. Die in den vergangenen Jahrhunderten immer wieder vorgenommenen Eingriffe in die Bausubstanz, aber auch die Bewegungen des Glockenstuhls beim Läuten hatten zu Schäden an den Wandputzen geführt und eine Sicherungsmaßnahme notwendig gemacht. In Abstimmung mit den Denkmalpflege-Behörden wurden größere Fehlstellen mit Kalkputz geschlossen und gelöste Putzfragmente mit dispergiertem Weißkalkhydrat gesichert. Zur Beruhigung und Aufwertung der gotischen Malerei erfolgte in sehr reduziertem Umfang eine Retusche der Putzausbesserungen, nach der die spätgotische Ausmalung des Raumes deutlich ablesbar und nach Freilegung und Festigung nunmehr in ihrem Bestand gesichert ist.
Text: Norbert Sterl, Ltd. Baudirektor, Bauamt Passau
Fotos: Marcel Peda