Immer mehr Menschen sterben in Deutschland an den Folgen ihrer Sucht. Im Jahr 2023 hat das Bundeskriminalamt 2.227 drogenbedingte Todesfälle¹ registriert. Die Zahl stieg damit noch einmal um zwölf Prozent gegenüber dem Vorjahr (1.990 Fälle). Betroffen waren 1.844 Männer und 383 Frauen, bei einem Durchschnittsalter von 41 Jahren. Im Interview spricht die Leiterin der Psychosozialen Beratungsstelle der Caritas Passau, Martina Matheisl-Schmid wie alltäglich Suchtprobleme sind.
Frau Matheisl-Schmid, Sie sind Leiterin der Psychosozialen Beratungsstelle der Caritas Passau. Das klingt jetzt erstmal sehr unspezifisch. Was genau ist die Aufgabe dieser Fachstelle?
Hinter dem Namen psychosoziale Beratung und Behandlung versteckt sich die Suchtberatungsstelle. Wir sind als Beratungsstelle zuständig für Menschen mit Alkoholproblemen, mit Drogenabhängigkeit, mit Spielsucht und Essstörungen.
Wie viele Angestellte arbeiten in der Psychosozialen Beratungsstelle, und wie viele Klienten kommen jährlich zu Ihnen?
Bei uns an der Beratungsstelle arbeiten sieben beraterisch therapeutisch tätige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und wir betreuen pro Jahr ca. 700 Klientinnen und Klienten.
Süchte gibt es ja haufenweise. Wann spricht man denn überhaupt von einer Sucht?
Es gibt sehr klare Diagnosekriterien für das Thema Sucht, am einfachsten kann man es vielleicht über das Thema Alkohol erklären, da spricht man erstmal vom Gebrauch, also das heißt der möglichst risikoarme Konsum, die zweite Stufe wäre dann der Alkoholmissbrauch, das wird auch schädlicher Gebrauch genannt und dann erst in der dritten Stufe sprechen wir von Alkoholabhängigkeit.
Das ganze Interview können Sie hier anhören:
Ihnen entgeht ein toller Beitrag!
Kommen wir zu Cannabis, das ist ja im Moment auch in aller Munde, es wurde vor kurzem für den privaten Gebrauch freigegeben. Ist das Ihrer Meinung nach eine sinnvolle Idee für ein Land, das mit jährlich rund 2.000 Drogentoten trauriger EU-Spitzenreiter ist?
Über das Thema Cannabis wurde sehr, sehr viel gesprochen. Ich bin in erster Linie glücklich darüber, dass das Ganze in der Debatte ist, weil das vielleicht überhaupt mal die Debatte über das Thema Suchtmittel eröffnet. Und worüber ich tatsächlich auch froh bin, ist die Entkriminalisierung, weil die Kriminalisierung dieses Themas hat uns, denke ich — aber das ist jetzt meine sehr persönliche Meinung -, nicht weitergebracht.
Wie ist der Konsum von Cannabis generell einzuordnen? Einstiegsdroge oder einfach nur ein harmloses Kraut?
Ich würde sagen weder noch. Es gibt keine stichhaltigen Daten dafür, dass es wirklich die Einstiegsdroge Nummer Eins ist, wenn es eine Einstiegsdroge gibt würde ich eher den Tabakkonsum und Alkoholkonsum als Einstiegsdroge bezeichnen. Ich bin mit dem Wort aber überhaupt nicht so ganz glücklich, auf der anderen Seite ist Cannabis natürlich eine Droge und es ist nicht harmlos. Es gibt keine harmlosen Drogen.
Kommen wir zu einer allseits beliebten Droge, die so aber gar nicht im Bewusstsein verankert ist: dem Alkohol. Wie sind denn hier die Fallzahlen?
Alkohol ist tatsächlich unsere Droge Nummer eins. Das hat einfach den Hintergrund, dass das bei uns sowas normales ist, man kann sich keine Feier vorstellen ohne Alkohol, es wird oft auch nicht reflektiert, warum trinke ich jetzt. Es wird eher drauf hingeschaut, wenn jemand nicht trinkt. Also es ist eine Droge, die tatsächlich in unserer Gesellschaft sehr verankert ist und tatsächlich ist es aber so, dass es keinen total risikolosen Konsum gibt. Jeder von uns der Alkohol konsumiert muss sich im Klaren sein, dass der Konsum gefährlich werden kann.
Würde ein generelles Werbeverbot oder eine bewusste Verteuerung des Produkts, wie es schon in anderen Ländern teilweise praktiziert wird, die Suchterkrankungen reduzieren – Stichwort: erfolgreiches Tabakwerbeverbot?
Ja man weiß inzwischen aus verschiedenen Quellen, dass ein Werbeverbot auf jeden Fall wirksam ist. Das kennt man aus England von den ungesunden Lebensmitteln, wo das jetzt mal über längere Zeit beobachtet wurde, dass es da wirklich einen Konsumrückgang gibt. Und ich würde mir das auch für Alkohol erhoffen und kriege auch immer wieder die Rückmeldung von Klientinnen und Klienten die sagen, wenn man den Fernseher anmacht, vor jeder Sportsendung kommt die Bierwerbung. Und das ist für viele Menschen dann auch wirklich ein Trigger. Ich würde mir wünschen, dass es hier mal ein Werbeverbot gäbe.
-> Das ganze Interview können Sie sich im Podcast anhören.