“Steh auf und probiere es nochmal!“, ruft Surflehrerin Esther Goebel übers Wasser und ergänzt: „diesmal setz Dein Segel richtig in den Wind, sonst fällst Du wieder“. – Windsurfen lernen ist nicht einfach, diese Erfahrung machten angehende Religionslehrerinnen und ‑lehrer der Universität Passau bei einem einwöchigen Kurs an der Ostsee. Was aber hat ein Surfkurs mit Religion zu tun? Die Surflehrerin Esther Goebel ist auch Theologin und für sie ist klar: Surfen und Glauben verbindet vieles, daher hat sie Surf-Exerzitien mit dem Titel „surf and soul – ein Surfkurs mit Tiefgang“ entwickelt.
Für das Projekt ging die Berliner Pastoralreferentin an die Ostsee. Sie strahlt, wenn sie von ihren bisherigen Erfahrungen erzählt: „Wie überall sind die 20- bis 40-Jährigen von der Kirche nur mehr schwer zu erreichen und die Diaspora hier in Vorpommern verschärft das noch. Aber surfen lernen macht Spaß, das wollen viele, und die Erfahrungen auf dem Wasser eröffnen einen Zugang zu religiösen Fragen. Beim Surfen muss man sein Gleichgewicht finden und es auch halten, man muss sich richtig ausrichten und mit Rückschlägen zurechtkommen. Und das hat viel mit dem richtigen Leben und dem Glauben zu tun.“
Das Bildungs- und Exerzitienhaus St. Otto des Erzbistums Berlin ist ein idealer Ort für diesen Kurs, bei dem Stille und Bewegung gleichermaßen wichtig sind. Das Haus liegt ruhig am Ortsrand von Zinnowitz, mitten in einem Kiefernwald und ist nur wenige Minuten vom Meer entfernt. Für Andreas Paul, der als Mentor für Lehramtsstudierende die Reise organisierte und den Exerzitienteil gemeinsam mit der Berliner Kollegin leitete, lohnte sich die weite Reise: „Der Kurs gibt den Studierenden die Chance, zu erleben, wie religiöse Fragen entstehen und wie über den Glauben so geredet werden kann, dass er etwas mit unserem Leben zu tun hat. Und genau das ist die Herausforderung, vor der Religionslehrer in einer zunehmend säkularen Gesellschaft stehen.“
„Der Kurs gibt den Studierenden die Chance, zu erleben, wie religiöse Fragen entstehen und wie über den Glauben so geredet werden kann, dass er etwas mit unserem Leben zu tun hat. Und genau das ist die Herausforderung, vor der Religionslehrer in einer zunehmend säkularen Gesellschaft stehen.”
Die Kombination von geistlichen Impulsen, die ganz klassisch aus den ignatianischen Exerzitien stammen, und einem Surfkurs macht erlebbar, wie es gelingen kann, das Leben in Balance zu halten und dem Leben eine gute Richtung zu geben. Damit das gelingt, gilt es zum einen zu lernen, was unseren Glauben ausmacht und dazu braucht es die Gemeinschaft, zum anderen muss jeder sein Glaubensleben immer persönlich entwickeln und das Gebet immer wieder neu einüben. Genau diese Erfahrung wird bei den Surfexerzitien miteinander verbunden: Es geht um Glaubenswissen, dessen Bedeutung für das eigene Leben ganz persönlich bedacht wird und es wird Wissen zum Surfen gelernt, das dann praktisch umgesetzt wird.
Der Tagesablauf ist einfach und immer gleich: Am Vormittag gibt es für alle gemeinsam einen Impuls zu Glaubensfragen, dem jeder für sich alleine nachgeht. Beispielsweise der Frage, wie komme ich zu guten Entscheidungen und wie erreiche ich die damit verbundenen Ziele in meinem Leben. Am Nachmittag geht es dann aufs Wasser. Zuerst wird theoretisch erklärt, was später praktisch ausprobiert wird, zum Beispiel, wie man auf dem Surfbrett Balance hält und wie man mit dem richtig gesetzten Segel ein Ziel ansteuert. Am Abend geht es zurück in die Unterkunft. Wenn alle zusammen sitzen, wird nochmals über die Verbindung von Glauben und Surfen nachgedacht. Die Erfahrungen auf dem Surfbrett werden zu Bildern für das Leben und den Glauben: da gibt es Flauten, in denen zu wenig vorangeht; da gibt es ein zu viel, das einen umhaut; gegen den Wind kann man nicht Wind surfen, auch wenn man noch so sehr will. Im Austausch und beim Zuhören wird ein voneinander lernen möglich. Und dann schließt der Tag mit einer weiteren Übung, diesmal aber im Meditationsraum und jetzt wird das Gebet geübt.
Die Studenten aus Passau hatten unterschiedliche Motive. Die einen wollten vor den Prüfungen des Staatsexamens nochmal Kraft sammeln, anderen war die Stille, die Ruhe und die Meditation wichtig. Die Stille wirkt nach, erklärt eine angehende Grundschullehrerin: „Die Ruhe auf dem Wasser und im Mediationsraum hat mir richtig gut getan, ich hab sogar eine Woche lang das Handy ausgeschaltet, damit es still bleibt.“
Am Ende des Kurses können die Teilnehmer noch die Prüfung für den Surfschein machen und sind alle ein wenig stolz, dass sie sich auf das Wasser gewagt haben, dort Balance halten können und nicht nur surfen gelernt haben, sondern auch ihren Glauben alleine im Gebet und miteinander im Gespräch vertieft haben.
Text: Andreas Paul