Bischof Stefan Oster bricht am Sonntag zu einer achttägigen USA-Reise auf. Er wird unter anderem bei einer großen Konferenz einen Vortrag über Joseph Ratzinger/Benedikt XVI. halten und verschiedene katholische Jugendorganisationen treffen. Im Gespräch mit Chefredakteur Wolfgang Krinninger vom Passauer Bistumsblatt erklärt Oster, mit welchen Erwartungen er ins Flugzeug steigt.
Herr Bischof Stefan, Sie sind acht Tage in den USA. Das Programm klingt nicht nach Urlaub. Wie kam es zu dieser Reise und was sind die wichtigsten Stationen?
Wir verbinden zwei Anliegen: Zunächst bin ich in Washington mit einer kleinen Delegation der Deutschen Bischofskonferenz. Wir hatten schon seit einiger Zeit geplant, vor Ort jugend- und berufungspastorale Initiativen näher kennenzulernen. Das geschieht die ersten Tage in Zusammenarbeit mit Vertretern der amerikanischen Bischofskonferenz. Dann reisen wir weiter nach Steubenville im Bundesstaat Ohio. Dort bin ich eingeladen worden, eine Konferenz an der dortigen Franziskaner-Universität zu besuchen, an der es ein sehr lebendiges gläubiges Leben unter jungen Menschen gibt. Es gibt dort eine größere Konferenz über Joseph Ratzinger, bei der ich den Abschlussvortrag halten werde. Zudem werde ich junge Menschen treffen und zu ihnen über Evangelisierung sprechen, außerdem die Gottesdienste feiern, auch mal predigen und ähnliches mehr.
Mit welchen Erwartungen steigen Sie in den Flieger?
Ich bin sehr gespannt. Auf der einen Seite ist die Situation unserer Kirche in den USA wohl ähnlich wie bei uns: stark getroffen von der Säkularisierung, auch polarisiert. Aber andererseits gibt es blühende theologische Landschaften ebenso wie geistliche Aufbrüche.
Sie werden selbst einen Vortrag über Benedikt XVI. bzw. Joseph Ratzinger halten. Können Sie unseren Leserinnen und Lesern kurz das Thema skizzieren?
Es wird darum gehen, was Joseph Ratzinger unter Kirche versteht. Und ich selbst beschreibe diese so vielfältige und komplexe Wirklichkeit Kirche zunächst einmal — von der Bibel her — als „Wohnort Gottes in der Welt“. Gott ist in seiner Kirche da. In einem zweiten Schritt zeige ich, dass das in der Mutter Jesu, in Maria, am tiefsten verwirklicht ist. In einem gewissen Sinn kann man ja sagen: Maria ist selbst die Kirche in Person, weil Gott in ihr tiefer „Wohnung genommen“ hat als je zuvor in einem Geschöpf. Von dort her denke ich dann mit Joseph Ratzinger weiter: Was heißt das dann für unsere Kirchenerfahrung heute? In diese Richtung wird es gehen.
Welchen Stellenwert hat der Papst em. in den Vereinigten Staaten?
Das lässt sich nicht einfach beantworten, weil die Kirchenwirklichkeit dort ähnlich differenziert ist wie bei uns. Ich habe aber z.B. bei einer vergangenen Reise vor vier Jahren ein wenig erstaunt wahrgenommen, dass gerade unter denen, die die neue Evangelisierung fördern wollen, die Päpste Johannes Paul II. und Benedikt XVI. ganz hoch im Kurs stehen und sehr starke Identifikationsfiguren sind. Auch Papst Franziskus war in diesen Gruppen sehr angesehen, vor allem für seinen Text Evangelii gaudium. Und unter katholischen Intellektuellen wird Benedikt XVI. natürlich ebenfalls überaus geschätzt — und als großer Theologe gesehen. Ich nehme aber auch wahr, dass es quantitativ stärker als bei uns deutlich traditionsorientierte Gruppen gibt, die sich z.B. schwer damit tun, dass Franziskus die so genannte Alte Messe eher wieder eingeschränkt sehen will. Und auch diese Gruppen favorisieren stärker Benedikt XVI. Aber wie gesagt, das sind sehr punktuelle Wahrnehmungen.
Auch in den USA muss die katholische Kirche Konflikte aushalten. Erst unlängst hat Kardinal Mario Grech die US-Bischöfe aufgefordert, mehr auf die Gläubigen zu hören. Wie nehmen Sie selbst die Katholische Kirche in den USA wahr?
Ich habe noch nicht viel Erfahrung vor Ort gewonnen. Daher freue ich mich auf neue. Aber neben dem, was ich in der letzten Frage schon geantwortet habe, staune ich von der Ferne über die Evangelisierungsaktivitäten im Netz. Der lehramtstreue Studentenpfarrer Mike Schmitz beispielsweise erreicht mit seinen Videos und Podcasts Millionen von Menschen. Er hatte im vergangenen Jahr z.B. einen täglichen Podcast gemacht: „Die Bibel in einem Jahr“ und war damit der erfolgreichste Podcaster der USA. So etwas wäre in Deutschland — wenigstens derzeit — wohl kaum möglich.
Die USA waren für viele Europäer über viele Jahrzehnte Sehnsuchtsland. Das hat sich geändert. Mittlerweile geht ein tiefer Riss durch die Gesellschaft und viele haben Angst um die Demokratie in diesem Land. Wie sehen Sie die Entwicklung in den USA?
Auch hier: Ich tu mich schwer, aus der Ferne so eine Entwicklung einzuschätzen, die ich im Grunde nur aus den Medien kenne. Dass aber ein Mann wie Donald Trump in der wichtigsten Demokratie der Welt Präsident werden konnte, hat mich damals doch sehr überrascht – und auch meine Skepsis darüber vermehrt, wie und unter welchen Einflüssen sich dort demokratische Entscheidungsprozesse heute vollziehen. Damit meine ich Einflussnahmen etwa durch Geld, digitale Technologien oder auch religiöse Extreme.
Sie lernen bei Ihrer Reise auch einige katholische Jugendbewegungen kennen. Was erhoffen Sie sich von diesen Begegnungen? Schafft es die Kirche in den USA auch die jüngere Generation zu erreichen?
Ja, das nehme ich so wahr. Es gibt große Festivals und Kongresse, bei denen Tausende von jungen Menschen kommen. Wenn ich recht informiert bin, ist der Kirchenbesuch der Katholiken in den USA durchschnittlich noch bei über 20 Prozent. Das wären etwa vier Mal so viele wie bei uns. Und damit auch deutlich mehr junge Menschen. Auch das Thema neue Evangelisierung wird dort nach meiner Einschätzung von vielen Menschen wesentlich unverkrampfter als bei uns angegangen — und trägt auch Früchte. Andererseits wird auch in den USA die Zahl der jungen Menschen, die die Kirche verlassen, täglich größer. Aus ähnlichen Gründen wie bei uns, insbesondere durch die Säkularisierung und Individualisierung, durch die Missbrauchskrise, die es auch dort massiv gegeben hat und gibt, und vielleicht noch mehr als bei uns durch die Fragen, wie denn Glauben und Wissenschaft zusammen gehen.
Interview: Wolfgang Krinninger, Chefredakteur Passauer Bistumsblatt/Altöttinger Liebfrauenbote