Nach 35 Jahren ist Pater Heinrich Grumann als Präses des Seraphischen Liebeswerks Altötting am Samstag feierlich verabschiedet worden. Zahlreiche Freunde und Wegbegleiter waren in das Franziskushaus Altötting gekommen. Seine Nachfolge übernimmt Pater Marinus Parzinger.
Ein Leben für das „Unternehmen Gott“
Die Turnhalle des Franziskushauses war am Samstagvormittag, 15. Januar, bis auf den letzten Platz gefüllt mit Wegbegleitern und Freunden, die Pater Heinrich Grumann nach 35 Jahren an der Spitze des Seraphischen Liebeswerks (SLW) Altötting in einem Festakt verabschieden und ihm für seine großen Verdienste danken wollten. Gleichzeitig stellte sich sein Nachfolger Bruder Marinus Parzinger mit ungewohnten Tönen vor.
Denn noch bevor sein Vorgänger P. Heinrich offiziell „entpflichtet“ wurde, griff Nachfolger Bruder Marinus Parzinger zur ersten öffentlichen Amtshandlung, wie es Franziskushaus-Leiter Johannes Erbertseder ankündigte – nämlich zur Trompete. Br. Marinus gesellte sich zu den die Feierlichkeiten begleitenden Johannesbläsern Mitterskirchen auf die Bühne, um gemeinsam mit ihnen ein Stück zu spielen. Das veranlasste Landtagsabgeordneten Martin Huber, zugleich Mitglied des SLW-Stiftungsrats, zu der launigen Bemerkung, Br. Marinus werde ihm und seinen Kollegen künftig hoffentlich nicht den Marsch blasen. Doch im Mittelpunkt des Tages stand natürlich Pater Heinrich. Neben Martin Huber würdigten ihn Landes-Caritasdirektor Prälat Bernhard Piendl, Bezirkstagsmitglied Gisela Kriegl, Wolfgang Sellner in Vertretung des erkrankten Altöttinger Bürgermeisters Herbert Hofauer und Stefan Jetz in Vertretung des später anreisenden Landrats Erwin Schneider.
Jetz sagte, P. Heinrich habe sich schon früh in seinem Leben entschieden, für „das Unternehmen Gott“ zu arbeiten. Er lobte wie die anderen Redner P. Heinrichs unermüdlichen Einsatz für das Kinderhilfswerk der Kapuziner, das heute dank der mutigen und weitsichtigen Entscheidungen seines Präses gut gerüstet sei für die immer vielfältiger werdenden Aufgaben in der Kinder- und Jugendhilfe. Welche Herausforderungen dabei in unserer Zeit zu meistern sind, verdeutlichte anschließend der Festredner, Franziskanerpater und Universitätsprofessor Udo Schmälzle. In seiner Vorbereitung habe er mit Erstaunen festgestellt, dass die Kapuziner schon vor über 130 Jahren bei der Gründung des Seraphischen Liebeswerks 1889 die Chancengleichheit von Kindern in den Mittelpunkt ihrer pädagogischen Arbeit gerückt hätten – ein Problem, das gesamtgesellschaftlich bis heute nicht gelöst sei: „Chapeau!“
Im Gegenteil gehe es heute mehr denn je darum, die „Welt von der Entsolidarisierung zu entgiften“. Hier könne und müsse die Kirche ihren Beitrag leisten, nachdem das Konzept der Moderne, nachdem der säkulare Mensch allein durch Vernunft und Wissen alle Probleme der Erde lösen könne, gescheitert sei. Schmälzle zitierte den Philosophen Jürgen Habermas mit der Aussage, die religiöse Erfahrung sei der Pfahl im Fleisch der Moderne. Allerdings brauche die Kirche für ihre Rolle in der modernen Gesellschaft glaubwürdige Strukturen und Handelnde, so der Pastoraltheologe. Wie könne Kirche verloren gegangenes Vertrauen wiedergewinnen? Eine Antwort liegt für Schmälzle in der franziskanischen Tradition, „im franziskanischen Genom“. Konkret verwies er auf die Arbeit vor Ort wie etwa in den Einrichtungen des Liebeswerks – hier sei jeder Euro weit besser angelegt als in teuren Beratungsfirmen. Für den Festredner liegt der Schlüssel zur Glaubwürdigkeit und Zukunft von Kirche in der Arbeit am Menschen, gerade auch mit jungen Menschen. Es gehe darum, Menschen etwas zu- und nicht abzusprechen, nicht bei ihren Defiziten anzufangen, sondern bei dem, was sie mitbringen – und das dann zu entwickeln. Kindern müssten spüren: „In dir ist Gott lebendig!“
Dieser Ansatz sei zutiefst franziskanisch, ebenso wie demokratische Strukturen und ein Wechsel in leitenden Positionen, bemerkte Pater Schmälzle mit einem Seitenblick auf Bischofskonferenz und Rom. Schon für Franz und Klara von Assisi sei das Evangelium entscheidend gewesen, und nicht die Hierarchie: „Das sollten wir lernen und beherzigen.“ Es sei notwendig und fruchtbar, Menschen und Mitarbeiter in die Gottesbeziehung mit hineinzunehmen. Denn Gott wolle nicht kleinmachen, sondern befähigen. „Ich wünsche mir, dass diese Gottesbeziehung uns alle packt – dann habe ich keine Angst, dass wir unsere Probleme in Kirche und Gesellschaft lösen!“ Welch ermutigendes Schlusswort.
Kapuzinerprovinzial Br. Christophorus Goedereis war es dann überlassen, Pater Heinrich offiziell von seinem Amt als SLW-Präses zu entbinden, verbunden mit einem großen Vergelt’s Gott. Der sichtlich gerührte Pater Heinrich erlebte, wie ihm die versammelte Festgemeinde mit Standig Ovations Anerkennung für seine überragende Lebensleistung zollte. „Genug des Lobes“, lautete dann auch des Geehrten erste Aussage in seiner Dankesreplik. Viel habe er bewegen können in den vergangenen 35 Jahren, doch nun freue er sich besonders, dass die Leitung des Seraphischen Liebeswerks wiederum in die Hände eine Mitbruders gelegt werden könne, in die von Bruder Marinus.
Geselligkeit und Besinnung
Geselligkeit und Besinnung – beides gehörte am Festakt für P. Heinrich Grumann dazu. So umrahmten Konrad Raischl und Band mit „Lebensmelodien“ einen bunten Nachmittag mit Vertretungen der SLW-Einrichtungen sowie Kaffee und Kuchen. Beim abschließenden Gottesdienst um 16 Uhr in der Franziskushauskirche umschrieb der neue SLW-Präses Bruder Marinus Parzinger den Tag im SLW als einen Tag des „Dankes, des Abschieds und Neubeginns“ – in der Gewissheit: „Es geht miteinander weiter!“ Mit Bezug auf die von ihm ausgewählte Stelle aus dem Markus-Evangelium („Lasset die Kinder zu mir kommen – denn Menschen wie ihnen gehört das Reich Gottes“) forderte Br. Marinus: So wie Jesus die Kinder in den Arm nehme und segne, sollten auch wir als Erwachsene unsere christliche Glaubenshaltung weitergeben. Für ihn sei es ein „Glück, mit Kindern arbeiten zu dürfen, aber auch als eine Herausforderung“. P. Heinrich habe diesbezüglich in seinen 35 Jahren als Präses des Seraphischen Liebeswerks große Fußspuren hinterlassen. Aber jeder habe seine eigene Schuhgröße, so Br. Marinus mit einem Augenzwinkern. Nach dem durch ihn erteilten abschließenden Segen hatte Kapuzinerprovinzial P. Christophorus Goedereis dann das letzte Wort zum Abschluss des Festaktes: „Heinrich, Vergelt’s Gott, Marinus, alles Gute!“
Text+Fotos: Wolfgang Terhörst, Roswitha Dorfner