Wie steht es um die Kirche und wie soll sie in fünf Jahren aussehen? Zahlreich und gut vorbereitet kamen die Gläubigen zu den Pfarrverbandsabenden für Osterhofen, Niederalteich und Lalling anlässlich der anstehenden bischöflichen Visitation im Dekanat Osterhofen. Im Frühjahr dieses Jahres hatten sich viele von ihnen jeweils zu einer eintägigen Pfarrverbandsklausur getroffen und über ihr Pfarreileben nachgedacht. Was läuft gut? Was nicht? Wo braucht es Veränderungen?
Die Ergebnisse dieser Überlegungen, die Bischof Stefan Oster nun an drei Abenden der vergangenen Woche vorgestellt wurden, spiegelten die großen Linien der Umbrüche und Veränderungen wieder, mit denen sich unsere immer noch gut volkskirchlichen Pfarreien hierzulande schon seit einigen Jahrzehnten zunehmend konfrontiert sehen: Die Kirchgänger werden stetig weniger, vor allem junge Erwachsene und Familien blieben aus; besonders die Jugend sei immer weniger für kirchliche Aktivitäten zu begeistern. Es werde immer schwerer, Freiwillige zu finden, die sich im Pfarrgemeinderat oder anderen Ehrenämtern längerfristig engagieren wollen. Kirchliche Feste und Brauchtum seien zwar noch beliebt, doch die Organisatoren würden immer älter, ebenso wie die Teilnehmer an traditionellen Gottesdienstformen wie Andachten oder Bittgängen. Wo Gottesdienstzeiten wegen der Pfarrverbandsstruktur verschoben werden mussten, kollidierten sie oft mit weltlichen Angeboten der Gemeinde aus Vereinen und Verbänden.
Freilich war es den Pfarreien dann auch besonders wichtig hervorzuheben, wo das kirchliche Leben blüht: Mancherorts gibt es großartige Kirchenmusik mit Chören für jung und älter. Vielerorts sind die Ministranten gern dabei, auch verbandliche Jugendarbeit ist an manchen Orten gut präsent. Oder es gibt funktionierende ehrenamtliche soziale Dienste, etwa Krankenbesuche. Auch ein reges Leben aktiver Frömmigkeit – in Andachten, Brauchtumspflege und festlichen Gottesdiensten ist oft sehr bemerkenswert. Die Dorf- und Pfarreigemeinschaften halten fest zusammen, wenn es darauf ankommt. Und auf die schöne eigene Kirche ist man an allen Orten ohnehin stolz.
All das und mehr gibt freilich dann auch wieder Anlass zur Sorge, ob und wie man dieses Gute bewahren könne. Die ausdrückliche Sorge um die Jugend treibt viele um, und der Vorsatz kommt häufig, auf diesem Gebiet mehr oder Neues zu versuchen. Und auch wenn die Firmung mit 16 von einigen kritisch gesehen wird, so sehen doch andere gerade darin eine Chance, die jungen Menschen auch inhaltlich neu zu begleiten. Bessere Öffentlichkeitsarbeit wird von manchen angemahnt und nicht selten herrscht auch das Bewusstsein, dass man mehr Glaubensbildung brauche. Natürlich kamen auch die kirchlichen „Reizthemen“ zur Sprache, Kirche solle moderner, und damit attraktiver werden – dazu gehöre die Lockerung des Zölibats ebenso wie die Weihe von Frauen. So möchte beispielsweise die Expositur Auerbach-Loh aus dem Pfarrverband Lalling die erste Pfarrei im Passauer Bistum mit einer Pfarrerin werden: „Herr Bischof, wenn Sie sich in ein paar Jahren fragen: Wohin soll ich sie senden? – nach Auerbach-Loh“, erklärte Josef-Markus Bloch.
Bischof Oster zeigte sich beeindruckt von allem Einsatz in den Gemeinden, für den Willen nach vorne zu schauen und auch offen für neue Impulse zu sein. „Wir spüren inzwischen die größten Veränderungsprozesse der letzten paar hundert Jahre in Bezug auf Glaube und Kirche“, so der Bischof: „Und ich bin der Meinung: Wir stehen erst am Anfang der Transformation. Die Frage ist nun: Wie antworten wir darauf?“
Die gängige Glaubenssozialisation von früher – katholische Eltern, katholischer Kindergarten, Kommunion- und Firmunterricht, Jugendgruppe – die dann einen jungen gläubigen Menschen hervorbringt, funktioniere heute kaum mehr. Daher fragten auch viele: „Wie bringen wir die Jugend wieder in die Kirche?“ Bischof Stefan fragte zurück: „Ganz ehrlich: Warum wollen Sie die Jugend für die Kirche gewinnen? Damit der Betrieb wie gewohnt weiterläuft? Oder damit die jungen Menschen die Gelegenheit haben, wirklich in die Beziehung mit Jesus Christus zu finden?“
Und der Bischof fuhr von hier aus fort mit dem Zentrum seines Anliegens: Wenn wir uns fragten, was Kirche heute anziehend mache, dann seien das weniger äußere „Maßnahmen“, wie etwa rhythmische Lieder im Gottesdienst. Vielmehr ginge es darum deutlich zu machen, dass wir einen Gott feiern, der in Jesus Christus da ist, im Leben von jedem von uns und besonders in unserer Gemeinschaft. „Kirche ist Leib Christi“, sagte er – aber merkt man das an uns? Kennen wir ihn und spüren die Leute, dass wir ihn kennen und lieben? Oder wenn nicht, wie finden wir dahin, dass man es wieder merkt?“ Das sei letztlich der innere Kern seiner Bemühungen: die erneuerte, lebendige, konkrete Gottesbeziehung unserer Gläubigen und Gemeinden. Daraus erwachse dann auch das Engagement für die anderen, für die Armen oder für den Erhalt der Schöpfung. „Wir müssen lernen, uns gegenseitig von Gott zu erzählen, was er in unserem Leben wirkt. Wir brauchen auch neue Orte der Begegnung mit Gott und untereinander im Lesen der Schrift, im Gebet, im gemeinsamen Dienst an anderen.“ So würden wir in die Erfahrung hineinwachsen, dass Glaube nähren und erfüllen kann.
Die Stimmungsbilder, die die Moderatoren Ludwig Raischl und Brigitta Neckermann-Lipp zu Beginn der Abende per Handzeichen einholten, hatten die Ansicht ergeben, dass es einerseits um den Glauben in den Gemeinden ganz gut bestellt sei – dass aber andererseits definitiv mehr Tiefe möglich sei. Die große Mehrheit zeigte sich auch überzeugt, dass das Glaubenszeugnis des Einzelnen in der Gesellschaft zukünftig immer wichtiger werde.
„Diese Herausforderung liegt nicht nur beim Pfarrer“, sagte Bischof Oster: „Jede und jeder von uns ist getauft und damit auch gesalbt mit dem Auftrag, Christus zu vergegenwärtigen – und zwar dort wo ein jeder steht. Es geht für uns alle darum, Sehnsucht nach Gott zu wecken – und nicht zuerst darum, einen Kirchenbetrieb aufrecht zu erhalten.“
Die Hinweise von Bischof Oster, Glauben wieder lebendiger in Herzen zu verankern und somit kirchlichen Aktivitäten wieder ihren bisweilen vergessenen, tieferen Sinn zu verleihen, klingen nicht schwer: „Setzt euch zusammen, lest gemeinsam die Heilige Schrift, betet miteinander offen und frei, sprecht offen über den Glauben und die Schrift! Fragt euch, was ist mir wichtig am Glauben? Fragt andere: Was ist euch wichtig am Glauben? Lernt Jesus zu begegnen! Unser Referat für Neuevangelisierung hat eine Menge Ideen und Hilfestellungen dazu für Euch bereit.“ Ein solcher Weg nach innen, so der Bischof, würde Kirche aus dem Kern heraus authentisch und damit anziehend machen – „und sie befähigt uns auch, hinauszugehen und anderen davon zu erzählen, ob mit oder ohne Worte – aber als Jünger und Jüngerinnen Jesu!“
Viele waren von den Worten des Bischofs bewegt, aber manchem erschien das womöglich nur „fromm“. Das war in den abschließenden Fragerunden zu bemerken, denen sich der Bischof offen stellte. Es ging um die Forderungen nach strukturellen Änderungen in der Kirche, die aktuell auch auf dem „Synodalen Weg“ verhandelt und ausgelotet werden sollen. Die Kirche müsse in solchen Fragen endlich „moderner“ werden, sagten einige. Bischof Oster stellte sich dieser Kritik, beantwortete ehrlich und offen auch schwierige theologische Themen, versuchte Missverständnisse zu aufzuklären und machte deutlich, dass auch er Fragen habe. „Ich habe versprochen den Glauben der Kirche zu verkünden, aber natürlich spüren wir, dass es uns heute oft nicht gelingt, diesen Glauben plausibel zu machen – angesichts der Reizthemen, die im Raum stehen.“ Vom Synodalen Weg der Kirche in Deutschland erhoffe er ein echtes Gespräch, ein echtes Hören aufeinander und ein neues Finden ins Miteinander – unter der Führung des Heiligen Geistes. „Und in diesem Sinn verstehe ich auch unsere neu eingeführten Pfarrverbandsabende: Der Visitator hört erst einmal auf alles, was da ist, was gesagt wird, auf das Gute und auch auf die Sorgen. Dann bringt der Visitator seine Perspektive ein, in der Hoffnung, dass daraus ein echtes Gespräch und ein gemeinsamer Weg werden kann“, so der Bischof abschließend.
Text: Anna Hofmeister