In der Basilika St. Anna in Altötting haben zahlreiche Mitglieder des Verbands der Katholischen Gehörlosen Deutschlands (VKGD) sowie etliche Gehörlose aus den Bistümern Passau, Regensburg, München-Freising und Würzburg am 16. Juli mit Bischof Stefan Oster SDB die Heilige Messe gefeiert. Eine Premiere! Zum ersten Mal fand der Gehörlosen-Wallfahrtsgottesdienst des VKGD in Altötting statt, der in Laut- und Gebärdensprache abgehalten wurde und durch Livestream für die Mitfeiernden visuell sichtbar war.
In Altötting werden in einer Saison schier unzählige Wallfahrtsgottesdienste gefeiert. Doch war dieser am Samstag, den 16. Juli 2022 in einer Hinsicht ein besonderer: Gehörlose aus den Bistümern Passau, Regensburg, München-Freising und Würzburg standen im Fokus. Insbesondere für sie hat der Verband der Katholischen Gehörlosen Deutschlands (kurz: VKGD) dieses Pontifikalamt mit Bischof Stefan Oster organisiert, das sowohl in Laut- als auch Gebärdensprache gefeiert wurde und zudem via Livestream auf eine Großleinwand für die Mitfeiernden visuell sichtbar war. Neben Verbandsmitgliedern waren auch zahlreiche Gehörlose aus dem süddeutschen Raum der Einladung nach Altötting in die Basilika St. Anna gefolgt. „Eine Premiere hier in Altötting“, freute sich Domkapitular Gerhard Auer, Abteilungsleiter Seelsorge und Begleitung Bistum Passau, der den Gottesdienst mitorganisierte und konzelebrierte. Der Gehörlosen-Wallfahrtsgottesdienst des VKGD fand schließlich zum ersten Mal in Altötting statt. Und auch Bischof Stefan Oster, der den Gottesdienst zelebrierte, stand die Freude ins Gesicht geschrieben. „Ich freue mich sehr, dass ich diesen Gottesdienst mit Ihnen feiern darf, obwohl es mich schon herausfordert“, begrüßte er die Mitfeiernden eingangs. „Es ist das erste Mal für mich, dass ich einen Gottesdienst mit Gehörlosen feiern darf, bei dem ich von Ihnen lernen muss, wie das geht.“ Einen Gottesdienst in Laut- und Gebärdensprache und via Livestream visuell sichtbar zu feiern, das hatten ihm dann die Gehörlosen und der Gebärdensprachchor „Singende Hände“, der für die musikalische Umrahmung sorgte, im Laufe der Heiligen Messe gezeigt. Lesung, Evangelium, Predigt, Fürbitten usw. – alles wurde in Laut- und Gebärdensprache vorgetragen. Den Konzelebranten kam hier eine besondere Rolle zu. Pfarrer Christian Burkhardt, Gehörlosenseelsorger der beiden Bistümer Passau und Regensburg, hatte die Lautsprache für die Gehörlosen in Gebärdensprache „übersetzt“, beispielsweise bei der Eucharistie. Und der selbst gehörlose Diakon Josef Rothkopf, Gehörlosenseelsorger im Bistum Aachen, hatte das Evangelium verlesen und gleichzeitig in Gebärdensprache vorgetragen.
Hören, Schweigen und die Freude – Predigt von Bischof Oster
In seiner Predigt ging der Bischof zentral auf drei Punkte ein: Hören, Schweigen und Freude. „Sie hören und verstehen nicht“, so laute ein bekannter Satz aus dem Buch Jesaja in der Heiligen Schrift. Und ein ebenso bekannter Satz aus dem Buch „Der kleine Prinz“ von Antoine de Saint-Exupéry laute: „Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für das Auge unsichtbar.“ Gleiches gelte auch für das Hören, so Bischof Stefan. Man könne diese Botschaft von „Der kleine Prinz“ auch ausdrücken mit „Man hört nur mit dem Herzen gut“. Viele Menschen, v.a. die hörenden, würden aber oft nur oberflächlich hören. „Richtiges Hören“, so der Bischof, passiere über das Herz, wenn man „ganz beim anderen Menschen“ ist. Er persönlich habe hier und heute in der Basilika den Eindruck, dass die Gehörlosen ihm mit ihren Herzen zuhören würden. „Es ist ganz schön, wenn man spürt, dass die Menschen aufmerksam sind.“ Überleitend zum zweiten Punkt „Schweigen“ betonte er: „Wenn man Gott hören will, muss man schweigen können.“ Damit täten sich Menschen oft schwer. Doch Gott schweige bei allem Wesentlichen, so Bischof Stefan. Nahezu in vollkommener Stille seien Geburt sowie Tod und Auferstehung Jesu Christi passiert. Und schließlich bezüglich des dritten Punkts „Freude“ betonte er, „Beten“ könne man auch mit den Worten „mit der Seele hören lernen“ umschreiben. „Wenn wir das (Beten, Anm. der Redaktion) immer wieder tun, dann kommt die Freude!“ Alle drei Punkte verknüpft wünschte Bischof Stefan den Mitfeiernden und insbesondere den Gehörlosen schließlich: „Wenn wir hören mit dem Herzen, stillwerden mit ihm und unser Herz erheben, dann kommt auch immer wieder die Freude. (…) Das wünsche ich Ihnen!“
Ihnen entgeht ein toller Beitrag!
„Denn wer den Willen meines himmlischen Vaters tut, der ist für mich Bruder und Schwester und Mutter.”
Zum Abschluss dankte Eva Rossmeissl, Sprecherin der Hörgeschädigten im Bistum Passau, Bischof Stefan Oster für diesen festlichen Gehörlosen-Wallfahrtsgottesdienst. Für sie alle sei es eine wahre Freude gewesen, hier in Altötting gemeinsam zu feiern. „Für mich auch“, konnte der Bischof nur dankend an alle Mitfeiernden zurückgeben, wofür er den bei Gehörlosen üblichen Applaus mit gehobenen und im Abstand zueinander winkenden Hände bekam. Er gab ihnen allen schließlich seinen Segen mit auf den Weg.
Hintergrund zum Gehörlosen-Wallfahrtsgottesdienst
Der VKGD veranstaltet ca. alle vier Jahre einen Verbandstag für ganz Deutschland an den verschiedensten Orten. Dazu werden alle Mitglieder sowie alle Gehörlosen in Deutschland eingeladen. Aufgrund der Coronapandemie musste der bereits geplante Verbandstag in Aachen bereits zweimal abgesagt werden. Aus diesem Grund hat der Verband beschlossen, in diesem Jahr an vier Wallfahrtsorten in Deutschland jeweils zu einem Wallfahrtsgottesdienst einzuladen – im süddeutschen Raum nach Altötting.