64 Kirchenaustritte musste der Pfarrverband Feichten im vergangenen Jahr verbuchen. Noch gibt es auch Eintritte in die Kirche. Sebastian (Name wurde geändert) ist einer von zwei Katholiken, die sich im Pfarrverband Feichten nach ihrem Kirchenaustritt nun wieder in die Gemeinschaft einfügen wollen.
„Es waren die Schlagzeilen über die Missbrauchsvorwürfe, mein Studium zum Maschinenbauer und letztendlich war ich Mitläufer in der Welle derjenigen, die der Kirche den Rücken zugewendet haben“, berichtet der junge Mann. Doch jetzt möchte er wieder am kirchlichen Leben teilnehmen und nicht nur das, sondern wieder ein Teil davon werden, richtig dazugehören. In Jugendjahren war er in seinem Heimatort Ministrant, fünf Jahre lang. Dann kam der Schulabschluss und das Studium. Eine Zeit, in der er wie alle junge Erwachsene sich suchen und finden, viel Zeit mit Freunden verbringen und wenig in der Kirche wollte. Die Schlagzeilen haben es ihm einfach gemacht, beim Standesamt vorstellig zu werden und den Austritt zu erklären. „Es hatte auch Vorteile. Es blieb mehr Geld in der Tasche. Für einen Studenten, der wenig Geld hat, ein gewichtiges Argument“, erklärt er heute.
„Vom Glauben bin ich nie abgefallen, er hat mir einfach nur weniger bedeutet, er war mir nicht wichtig. Das ist jetzt anders.”
Doch inzwischen sei viel passiert. Viel Arbeit mit Dienstreisen hat er hinter sich. Er musste erst einen neuen Freundes- und Bekanntenkreis im Chiemgau aufbauen und ist erst vor kurzem in den Pfarrverband gezogen. „Meine Wanderjahre sind vorbei. Ich möchte dort sesshaft werden“, hat er sich vorgenommen. „Vom Glauben bin ich nie abgefallen, er hat mir einfach nur weniger bedeutet, er war mir nicht wichtig. Das ist jetzt anders“, gibt er zu. „Ich möchte wieder tiefer in den Glauben eintauchen“, hat er sich vorgenommen. Doch hat der junge Mann erfahren, dass nicht alle Pfarreien gleichermaßen offen sind. „Manche Kirchengemeinden sind eine eingeschworene Gemeinschaft, vor allem in den Großstädten ist es schwierig, dazugehören zu wollen. Im Pfarrverband mit den kleinen Pfarreien ist das anders. Hier sind die Menschen nett, offen für Neue“, das stellte er bei seinen Kirchenbesuchen schon fest. Außerdem hat ihn die Homepage überzeugt. „Hier wird aktiv gelebt und vieles lebendig rübergebracht“, so seine Feststellungen. „Vielleicht konnte ich das aber auch in den anderen Pfarreien nicht in dem Maße bemerken, wie ich es jetzt mache“, gibt er zu. „Ich erlebe vor allem Pfarrer Michael Witti ehrlich, authentisch, lebendig, mit pragmatischem Ansatz und Predigten aus dem Leben. Das hat mich sehr angesprochen.“ Er habe einen Alpha-Glaubenskurs gemacht, jedoch nicht beendet. „Das war es nicht für mich – ich mags gern lebendig“, sagt er.
So reifte in ihm der Entschluss, wieder in die katholische Kirche einzutreten. Der Austritt sei einfach gewesen. Einen großen Aufwand muss er auch jetzt nicht machen. Er wandte sich an Pfarrer Michael Witti zu einem ersten Orientierungsgespräch. Er erzählte, wie er im und nach dem Studium wenig Kontakt zur Kirche hatte und auch Freunde aus unterschiedlichsten Gründen damals ausgetreten waren. So fasste auch er diesen Entschluss, blieb aber auf der Suche und spürte, dass ihm der Glaube weiterhin wichtig war. „In dem Fall reicht die Bitte bei mir um die Wiederaufnahme“, doch ein bisschen Bürokratie müsse dennoch sein. „Datenschutz, der Antrag um Rekonziliation und die Begründung, warum man ausgetreten sei und nun wieder eintreten möchte sind auszufüllen. Dieser Antrag wurde inzwischen vom Notar des Ordinariats des Bistums Passau geprüft. Eine positive Entscheidung mit der Unterschrift des bischöflichen Notars ist nun zurück im Pfarrbüro. Dann ist der Wiedereintritt nur noch ein kleiner privater Akt in der Kirche. Ein Schriftwort, das gemeinsame Glaubensbekenntnis und zwei Zeugen werden dabei sein und unterschreiben. Der Wiedereintritt wird dann an das Finanzamt gemeldet und handschriftlich in das Taufbuch der Pfarrgemeinde eingetragen, wo die Taufe erfolgte“, so der Weg, den Witti gern erklärt.
„Vor sechs Jahren war ich nicht recht verwurzelt in einer Gemeinde – doch jetzt will ich meinen Fokus darauf setzen.”
Danach steht in Sebastians Akten wieder das Kürzel „r.k.“ für römisch-katholisch. Auch muss er wieder die Kirchensteuer von acht Prozent bezahlen. „Das macht mir aber nichts“, meint er.
Doch die richtige Zugehörigkeit beginnt erst jetzt für ihn. Sebastian hat sich vorgenommen, regelmäßig die Gottesdienste zu besuchen und sich auch aktiv in der Pfarrgemeinde einzubringen, deren Veranstaltungen zu besuchen und die Menschen kennenzulernen. Privat setzt er sich regelmäßig mit seinem Glauben und der Vorstellung, was er davon erwarten kann, auseinander. „Vor sechs Jahren war ich nicht recht verwurzelt in einer Gemeinde – doch jetzt will ich meinen Fokus daraufsetzen. Wie genau das aussehen wird, weiß ich noch nicht“, so seine ehrlichen Worte.
Kirchenaustritte in Zahlen:
2023 waren nach Angaben der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), die die Austrittszahlen traditionell im Frühsommer bekannt gibt, 106.663 Menschen aus den katholischen Kirchen ausgetreten. Laut Kirchenstatistik für das Jahr 2023 gehören damit noch knapp 5,7 Millionen Menschen in Bayern der katholischen Kirche an. Nur im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen gab es im vergangenen Jahr mit 115.431 Austritten noch mehr als in Bayern. Der Rückgang der Kirchenmitglieder hat inzwischen zur Folge, dass sowohl die katholische als auch die evangelische Kirche, die auch zahlreiche soziale Einrichtungen wie Krankenhäuser oder Kindergärten tragen, sparen, ihre Angebote einschränken und in Einzelfällen sogar Kirchen schließen müssen.
Fotos und Text: Tine Limmer