Ihnen entgeht ein toller Beitrag!
Hier in Schriftform:
Liebe Schwestern und Brüder im Glauben, liebe Mitmenschen, die Sie interessiert sind an den Vorgängen in unserem Pfarrverband Hauzenberg im Bistum Passau,
schon seit einigen Tagen brennt es mir unter den Nägeln, mich auch öffentlich zu den Vorgängen der letzten Tage zu äußern, die so viele Emotionen erzeugt haben und die viele Menschen sehr schmerzlich erleben, mich selbst natürlich eingeschlossen. Bisher war es mir kaum möglich, denn zu vertraulich waren viele Dinge, die in den letzten Wochen und Monaten besprochen wurden; zu viel ist einfach nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Es geht dabei vor allem auch um den Schutz von Personen und von Persönlichkeitsrechten wie auch darum, in einer aufgeheizten Stimmung nicht noch mehr Öl ins Feuer zu gießen. Aber nachdem nun einige Dinge auch ohne unser Zutun öffentlich bekannt wurden, ist es auch mir leichter möglich aber nun zugleich auch notwendig, etwas zu sagen.
Zunächst: Ich kann nachvollziehen, dass die Enttäuschung von vielen riesig ist und dass sich diese Enttäuschung zugleich Ausdruck verschafft mit einer großen Begeisterung für die Arbeit von Pfarrer Aulinger, ganz besonders auch für seine Arbeit mit jungen Menschen; aber auch für seinen Dienst für die Feuerwehr oder einfach für die alltägliche Seelsorge mit und für viele Menschen in seinen Pfarreien.
Was mich aber tatsächlich erschreckt, sind manche Auswüchse, die diese emotionale Aufladung erzeugt – und von denen ich sicher bin, dass sie nicht aus einem christlichen Geist kommen. In bestimmten Gesprächen und Kommentierungen, ob real oder virtuell, scheint es keine zweite Meinung über das positive Wirken des Pfarrers oder über das schreckliche Handeln des Bischofs geben zu dürfen. Viele, die sich hier kritisch positionieren, erleben sich ausgegrenzt oder gemobbt, bis hin zu konkreten Drohszenarien.
Mehr noch: Es gibt in Hauzenberg eine herrschende Meinung, die auch medial sehr stark gemacht wird. Sie lautet: Einige wenige Personen, die man klar benennen kann, sind die eigentlich Schuldigen an der Misere. Sie haben den Pfarrer beim Bischof hingehängt – und deshalb muss er gehen. Und jetzt erleben einige dieser Personen tatsächlich seit eineinhalb Jahren ein Leben voller Angst, Unsicherheit, Depression und mehr.
Ich möchte daher mehreres ausdrücklich sagen: Nein, eine solche Stimmung – ein solches Gegeneinander ist ausdrücklich nicht der Geist, der von Jesus kommt. Unser Glaube macht nämlich auch empathisch und würde auch die Not von Menschen wahrnehmen. Mir scheint, das will man hier bewusst nicht. Wirklich im christlichen Geist miteinander sprechen, bedeutet auch, die Meinung des anderen verstehen lernen – und selbst wenn ich nicht seiner Meinung bin, zu versuchen, trotzdem das Gute und Sinnvolle daran zu sehen.
Zweitens meine Position zu Alexander Aulinger: Ich möchte erinnern, dass es ausdrücklich meine Entscheidung war, Pfarrer Aulinger in den Pfarrverband Hauzenberg zu versetzen. Ich kenne ihn seit über zehn Jahren, seit ich hier bin – und seit er im Pfarrverband Strasskirchen gewirkt hat. Zudem habe ich ihn auch zum Dekan ernannt. Er hat ohne Zweifel große Gaben und Fähigkeiten für seinen Beruf und ist damit offenbar ein Menschenfischer. Aber auch an seinem früheren Arbeitsfeld gab es schon Anfragen wie die jetzigen in Hauzenberg, mit denen wir uns damals schon beschäftigt haben – und die uns nun spätestens seit Sommer 2023 wieder sehr beschäftigen. Auch die Ernennung Pfarrer Aulingers zum Dekan im Januar 2023 habe ich erst bestätigt, nachdem ich mit ihm ein intensives Gespräch über solche Anfragen geführt hatte. Nach dem Sommer 2023 gab es dann einige Vorfälle im Kontext von Jugendarbeit, die inzwischen auch öffentlich beschrieben sind – und es kamen zusätzlich immer neue Meldungen von ganz verschiedenen Menschen, die uns im Ordinariat haben Fragen stellen und tätig werden lassen. Zweimal haben wir seitdem gegenüber dem Pfarrer Maßnahmen verhängt, die auch bestimmte Aspekte der Jugendarbeit eingeschränkt haben. Und nein, Menschen, die uns dazu Hinweise gegeben haben, waren weder feige Denunzianten noch böswillige Neider und auch nicht Menschen, die der Kirche negativ gegenüberstehen. Es waren schlicht Menschen, die meist in Sorge für Kinder und Jugendliche waren, in Sorge um die Kirche oder solche, die aus großer Angst vor der schon erzeugten Atmosphäre nicht mehr gewagt haben, namentlich aufzutreten. Und spätestens da wurde mir immer deutlicher: So etwas kann nicht von einem guten Geist sein, auch dann nicht, wenn es sich für diejenigen, die im inneren Kreis der Zugehörigen sind, sehr christlich anfühlt. Und ich sage das immer noch mit dem ausdrücklichen Wunsch, als Bischof hinter meinem Priester zu stehen.
Wie gesagt, wir haben viele solcher Stimmen gehört – aber während meiner Visitation im Pfarrverband im vergangenen September ist im Grunde so gut wie keiner dieser Stimmen hörbar geworden. Aus Angst, wie mir nachher deutlich wurde, als ich mit einigen dieser Menschen Kontakt aufgenommen hatte. Keiner traute sich mehr.… Und auch nach den Gesprächen: Niemand wollte genannt werden. Die einen machen also voller Angst die Erfahrung ausgeschlossen zu sein – und die anderen sprechen von Denunzianten des Pfarrers. Das Wort von der Spaltung der Pfarrei machte schon länger die Runde. Meine Visitation im September war daher tatsächlich einerseits eine gute Erfahrung, andererseits auch zweideutig. Ich habe sehr viele gute Initiativen und lebendiges kirchliches Leben gesehen, auch wunderbar motivierte Jugendliche. Ich habe all das auch gewürdigt. Und bin dennoch mit einem seltsamen Gefühl nach Hause gefahren. Unsere Präventionsstelle hatte nämlich vor der Visitation ein Schutzkonzept in der Pfarrei implementieren wollen, hatte diese Arbeit aber unterbrochen weil – so meine Mitarbeiter – die Leitungsperson kompromittiert sei. Es könne keine Atmosphäre von Vertrauen aufgebaut werden.
Kurz vor Weihnachten vergangenen Jahres kam dann noch einmal eine deutliche Zuspitzung: Ein anonymer Internet-Account hat den Pfarrer verschiedener Vergehen angeklagt, parallel dazu wurde mir ein ausführlicher Bericht[1] zu Vorgängen in Hauzenberg ausgehändigt. Das Wort geistlicher Missbrauch stand im Raum, und die Bistumsleitung wurde angeklagt, nichts dagegen zu tun. Ab da wurden in den Gesprächen auch Anwälte hinzugezogen, von Pfarrer Aulinger und von uns vom Bistum. In mehreren solcher Gespräche hat sich für Pfarrer Aulinger abgezeichnet, dass er sich wohl auf Dauer nicht mehr würde halten können und auch nicht mehr halten wollen in Hauzenberg. Schon im Februar haben wir ganz konkret darüber gesprochen, wie er beispielsweise während seiner Zeit eines Ausstiegs finanziell versorgt sein würde. Anfang März hat er uns im Beisein seiner Anwältin zum ersten Mal von sich aus mitgeteilt, dass er sich aus Hauzenberg zurückziehen wolle. Von ihm selbst kam das Wort „Resignation auf den Pfarrverband“. Ab diesem Zeitpunkt (6. März) haben wir dann darüber gesprochen, nicht mehr ob, sondern wie und ab wann wir diesen Rückzug am besten gemeinsam durchführen und kommunizieren könnten. Wichtig war uns gemeinsam: Der Text müsse die Ankündigung des Rückzugs enthalten sowie eine Entschuldigung für begangene Fehler und der Pfarrer möge darum bitten, einen möglichen Nachfolger in der Verantwortung zu unterstützen, damit Frieden einkehren könne. Einen solchen Text haben wir am 13. März von ihm und abgestimmt mit seiner Anwältin erhalten. Ab dann wollten in der Folge weiter abstimmen, wie wir das Ganze nun am besten kommunizieren könnten.
Doch bald danach haben sich die Ereignisse noch einmal zugespitzt, beinahe überschlagen: Unsere unabhängige Aufarbeitungskommission für Missbrauch hatte sich gemeldet — und nach einer Einsicht in die Aktenlage die Demission des Pfarrers gefordert. Außerdem hat die Unabhängige Ansprechpartnerin für sexuellen Missbrauch neues Dokumentationsmaterial einsehen können und mir als Bischof anschließend dringend angeraten, die Staatsanwaltschaft zur Überprüfung einzuschalten. Schließlich hatte sich die Reportervereinigung „Correctiv“ gemeldet mit dem Hinweis, sie hätten Einblick in einen umfangreichen Bericht über Vorgänge in Hauzenberg. Ab dem Zeitpunkt war mir deutlich: Der Rückzug duldet keinen Aufschub. Ich habe mit dem Pfarrer telefoniert und er war in diesen Telefonaten auch zum sofortigen Rückzug bereit. Er hat mir diesen Rücktritt zweimal mündlich ausdrücklich erklärt und telefonisch einem Textentwurf zugestimmt, den ich auf seinen Wunsch noch einmal in einem wichtigen Detail zu seinen Gunsten verändert habe. Es sollte unser beider Text sein, der von ihm und von uns als Bistumsleitung.
Das war am Donnerstag vor einer Woche. Wir haben den Text dann am Vormittag veröffentlicht. Am selben Nachmittag hat sich Pfarrer Aulinger dann einen neuen Rechtsbeistand genommen, der sofort in medialer Zuspitzung und unter offensichtlicher Unkenntnis vieler Sachverhalte dennoch massiv über die sozialen Medien öffentlich agitiert und erklärt hat, der Pfarrer ziehe sich gar nicht zurück. Alles sei ein Missverständnis. Ab diesem Zeitpunkt sah ich mich genötigt, gegenüber dem Pfarrer ein vorläufiges Zelebrations- und öffentliches Auftrittsverbot zu verhängen. Denn solange staatliche und kirchliche Behörden ermitteln, ist das sachlich geboten und wird in jedem Fall so lange aufrecht erhalten, bis die Dinge geklärt sind.
Alles das, besonders die Wende mit dem neuen Rechtsbeistand, hat dann dazu geführt, dass Emotionen hochgekocht sind, Enttäuschung laut wurden und sich große Solidarisierungswellen mit Pfarrer Aulinger gebildet haben. Ich kann gar nicht sagen, wie groß mein Bedauern ist – für die Gläubigen, für die vielen Jugendlichen, die ihren Pfarrer ins Herz geschlossen haben, für den Pfarrer, für die Kirche insgesamt.
Mir ist es wirklich wichtig zu sagen: Deeskalierung ist dringend nötig, Abkühlung von Emotionen, Nüchternheit – und die gegenseitige Wahrnehmung: Der andere Mensch, der die Dinge anders sieht als ich – ist von unserem Gott genauso geliebt wie ich.
Liebe Schwestern und Brüder,
Sie alle sehen: die Situation braucht jetzt Zeit und braucht Gespräch – in Ruhe und Besonnenheit. Wir werden alsbald Personen in den Pfarrverband schicken, die von außen kommen und die einen Prozess der Aufarbeitung begleiten können. Ich selbst bin natürlich selbstverständlich auch bereit zum Gespräch – und wünsche uns allen den Segen Gottes. Und bitte, bitte stellen Sie sich schützend vor die Menschen, die schon seit vielen Monaten in Ängsten leben.
[1]Dieser vom unabhängigen Beauftragten für geistlichen Missbrauch erstellte Bericht wurde nicht von uns beauftragt. Wir haben diesen unter der Maßgabe der vertraulichen Behandlung übersandt bekommen. Aus diesem und auch den bereits erklärten Gründen geben wir diesen nicht weiter.