
Vorraussetzungen für ein Ehenichtigkeitsverfahren
Um eine Ehe kirchlich für ungültig erklären lassen zu können, muss zum Zeitpunkt der Eheschließung wenigstens ein vom kirchlichen Recht anerkannter Nichtigkeitsgrund gegeben sein, der in einem kirchlichen Ehenichtigkeitsverfahren nachgewiesen werden muss.
Mögliche Gründe sind:
1) Totalsimulation:
Wenn ein Partner die Ehe nur zum Schein eingehen wollte und eigentlich mit der Heirat nachweislich ein völlig anderes Ziel anstrebte (das ist der klassische “Eheschwindler”: Er benutzt die Eheschließung nur, um z.B. Titel, Erbe, Staatsangehörigkeit, Aufenthaltsgenehmigung… zu erwerben).
2) Ausschluss der Unauflöslichkeit (ein häufiger Grund):
Ein Partner hat v o r der Trauung nachweislich die Absicht, sich scheiden zu lassen, falls die Ehe nicht gelingen würde. Der betreffende Partner antwortet zwar auf die Frage des Traupriesters “… bis der Tod euch scheidet?” mit “Ja”, hatte aber zu diesem Zeitpunkt bereits den festen Willen, sich vom Partner scheiden zu lassen, um für eine neue Partnerschaft frei zu sein, falls die erste Ehe nicht wie gewünscht verlaufen sollte.
3) Ausschluss der Nachkommenschaft:
Ein Partner setzt vor der Ehe den Vorbehalt, grundsätzlich und auf Dauer während der gesamten Ehe keine Kinder haben zu wollen.
4) Ausschluss der ehelichen Treue:
Dieser Sachverhalt ist gegeben, wenn ein Partner zum Zeitpunkt der Eheschließung die ausschließliche Bindung an den anderen Partner ablehnte und sich das Recht vorbehielt, auch mit Dritten intime sexuelle Kontakte zu pflegen. Ein “Seitensprung” in der Ehe fällt nicht unter diesen Punkt, es sei denn, er wäre schon vor der Trauung gewollt / angestrebt gewesen.
5) Furcht und Zwang:
Wenigstens ein Partner war in seinem Willen zur Eheschließung nicht frei. Er wurde von anderen Personen maßgeblich zur Heirat gedrängt und sah keinen anderen Weg, sich diesem schweren Druck zu entziehen als durch die — eigentlich von ihm persönlich ungewollte — Heirat.
6) Impotenz:
Wenn ein Partner zur Zeit der Eheschließung nicht fähig war, den Beischlaf in naturgemäßer Form zu vollziehen und dieser Defekt nicht durch einen ärztlichen Eingriff behoben werden konnte. Unfruchtbarkeit gilt dagegen nicht als Nichtigkeitsgrund.
7) Völlig fehlender Vernunftgebrauch:
Dieser Ehenichtigkeitsgrund liegt vor, wenn einer der Partner bei der Trauung völlig unzurechnungsfähig war, d.h. seine Vernunft überhaupt nicht gebrauchen konnte und deshalb nicht wusste, was er tat. Es spielt keine Rolle, ob dieser Zustand dauerhaft (weil z.B. krankheitsbedingt) ist oder vorübergehend (z. B. bei absoluter Volltrunkenheit) war.
8) Mangelndes Urteilsvermögen:
Kann ebenfalls eine Ehe verungültigen und zwar dann, wenn einer der Partner zwar teilweise seine Vernunft / seinen Verstand gebrauchen kann, aber nur so fehlerhaft, dass der Betroffene nicht erkennen kann, welche Pflichten eine Ehe mit sich bringt.
9) Die Eheführungsunfähigkeit:
Sie liegt vor, wenn jemand die wesentlichen Pflichten der Ehe nicht leisten kann. Er kann dabei vom Verstand her erkannt haben, dass diese Pflichten wesentlich für die Ehe sind, ist aber (meist von der Psyche her) unfähig, sie erfüllen zu können.
Beispiel: Ein nachweislich homosexuell veranlagter Mensch kann sehr wohl vom Verstand her erkennen, dass die körperliche Hingabe an einen andersgeschlechtlichen Partner für die Ehe nötig ist; er ist aber wegen seiner homosexuellen Veranlagung nicht in der Lage, diese Hingabe an den andersgeschlechtlichen Partner zu leben. Deshalb kann er sich auch nicht rechtsgültig dazu verpflichten, selbst wenn er das wollte.
10) Arglistige Täuschung:
Ein Partner muss über eine wesentliche, die Person des Gatten kennzeichnende Eigenschaft (z.B. Unfruchtbarkeit, schwere (Erb-)Krankheiten, Drogenmissbrauch, ein gravierendes Vorstrafenregister …) getäuscht worden sein, die zur Zeit der Eheschließung bereits vorlag. Wenn solche wesentlichen, den Heiratskandidaten kennzeichnende Eigenschaften dem zukünftigen Gatten verschwiegen wurden, um bei ihm die Bereitschaft zur Eheschließung zu erhalten, kann die Ehe ungültig sein.
11) Formfehler:
Ein Katholik ist verpflichtet, nach katholisch-kirchlichem Ritus bei einem zuständigen / befugten Geistlichen zu heiraten. Wenn die Ehe eines Katholiken nicht katholisch – kirchlich eingegangen worden ist, ist sie ungültig; vor allem also die rein standesamtliche Ehe eines Katholiken (es sei denn, dieser Katholik hatte vor der Trauung die Erlaubnis des Bischofs z.B. zu einer rein standesamtlichen oder evangelisch-kirchlichen Ehe eingeholt). Die Feststellung der Ungültigkeit einer rein standesamtlichen Ehe eines Katholiken erfolgt nicht im hier beschriebenen Ehenichtigkeitsverfahren, sondern nach Aufnahme der Daten der ersten rein standesamtlichen Ehe im zuständigen Pfarramt durch das Bischöfliche Ordinariat in einem kurzen Verwaltungsakt!
12) Zwei Sonderformen:
Das Verfahren zum Nachweis des Nichtvollzuges einer Ehe. Anhand von beeideten Aussagen wird hier geprüft, ob die Ehe wirklich nie durch einen Geschlechtsakt vollzogen wurde. Ferner sind überzeugende Gründe für den Nichtvollzug der Ehe anzuführen. In diesem Sonderfall gehen die Prozessakten nach Abschluss der Beweiserhebung nach Rom.
Möglichkeiten für die Lösung einer Ehe können auch gegeben sein, wenn zum Zeitpunkt der kirchlichen Trauung wenigstens einer der Partner nicht getauft war.
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Claus Bittner
Domkapitular, Offizial