Architektur des Doms
Außen
Während die Ostpartie, der Vierungsturm und das Querschiff in ihrer spätgotischen äußeren Baugestalt weitestgehend erhalten blieben, wurde die breit gelagerte Westfassade mit den zwei Türmen komplett neu errichtet. Die leicht vorgezogene und angeschweifte Giebelfassade lässt den basilikalen Aufbau des Langhauses von außen erahnen. Die in weißem Kalk lasierte Fassade des Domes ist geprägt von zurückhaltendem Dekor aus Festons, Blütenschnüren, Engelsköpfen und Masken.
1895 – 98 wurden die beiden Westtürme unter der Leitung von Dombaumeister Heinrich von Schmidt erhöht. Die Türme, deren Abschluss flache Walmdächer bildeten, wurden ergänzt mit kuppelgekrönten oktogonalen Aufbauten und Balustraden.
Innenraum
Im Gegensatz zum Äußeren ist das Innere des Doms vollständig barockisiert.
Das hohe dreischiffige Langhaus zu sechs Jochen führt über die kurzen Querarme des Kirchenbaus hin zu einem polygonal geschlossenen Chor. Die beiden niedrigeren Seitenschiffe sind geprägt von den vier flachen Seitenkapellen zwischen eingezogenen Wandpfeilern. Je vier große barocke Altäre sowie ein Seitenportal befinden sich im nördlichen und im südlichen Seitenschiff. Ein Altar ist jeweils in den Querarmen.
Stuck
Der erste Eindruck, den ein Besucher dieser Kathedrale erhält, ist maßgeblich von der reichen Stuckdekoration geprägt.
Das plastische Volumen und der übersteigerte Ausdruck der Figuren fügen sich zusammen mit den Fresken eindrucksvoll in das Gesamtensemble der Architektur ein und antworten auf ihren gewaltigen Maßstab. Die Stuckierung bleibt dabei nicht nur Dekoration, sondern ist Teil des ikonologischen Programms – neben Laub- und Blütenkränzen, erblickt man skulptural ausgearbeitete Propheten, welche mit Schrifttafeln auf die Inhalte der Fresken verweisen, Engelsfiguren nehmen mit Spruchbändern darauf Bezug.
Die Stuckarbeit im Dom St. Stephan ist wesentlicher Bestandteil seiner barocken Neugestaltung und zeugt von einem hohen künstlerischen Rang, der nur aufgrund der engen Zusammenarbeit von Baumeister und Stuckateur möglich war. Während Carlo Lurago der bedeutendste Vertreter der im 17. Jh. meistbeschäftigten Comaskenfamilie in Böhmen war, war Giovanni Battista Carlone Haupt eines Stuckatorenkreises, der in Passau zum ersten Mal kunsthistorisch greifbar wurde. Nach Vollendung der Arbeiten am Passauer Dom entfaltete dieser Kreis eine reiche Tätigkeit in Ostbayern und Österreich.
Dass der Bauherr Fürstbischof Wenzeslaus von Thun diese beiden großen Werkstatt-Gemeinschaften zusammenführte, zeugt von Weitblick. Denn die übliche Praxis war es, dass der Baumeister auch die Handwerker bestimmte oder mitbrachte. Lurago war jedoch nur für die Bauausführung beauftragt. Für die Ausgestaltung der Kathedrale konnte der Fürstbischof — und seine Nachfolger- nach eigener Wahl Meister verpflichten.
Fresken
Carpoforo Tencalla, der Schöpfer der Fresken im Chor und im Mittelschiff, genoss zu Lebzeiten bereits hohes Ansehen. Rückblickend wird er sogar als Erneuerer der Freskomalerei nördlich der Alpen bezeichnet. Stilistisch ist Tencalla in die kühle akademische Malerei Oberitaliens einzuordnen, Vorbilder sind aber auch in Rom und im Werk von Rubens zu suchen. Ein volkstümlicher Einschlag ist zudem unübersehbar.
Das Fresko im Chor zeigt das Martyrium des heiligen Stephanus. Über der Steinigungsszene erstreckt sich die Vision des Heiligen – ein sich öffnender Himmel mit Christus und dem Hl. Geist.
Gottvater wird im Bild der Vierungskuppel dargestellt. Beide Fresken stehen in kompositorischem und inhaltlichem Zusammenhang. Es ermöglicht eine Zusammenschau beider Bilder, die mit der architektonischen Raumregie Luragos harmoniert und als ein Vorstoß in Richtung des Barockillusionismus zu werten ist.
Im Mittelschiff zeigen die Fresken in den fünf Jochen von West nach Ost den Triumph der Eucharistie, die Vertreibung der Händler aus dem Tempel, die Ablösung des alttestamentlichen Opferdienstes durch die Eucharistie, eine Engelsglorie und schließlich den Triumph der katholischen Kirche sowie des Glaubens. In den Zwickelbildern sind Kirchenväter und Sibyllen dargestellt.
Das ikonologische Programm der einzelnen Joche erschließt sich in der vertikalen Gesamtschau von Hauptfresko, Zwickelbilder und Stuckfiguren.
Die vielen kleineren Freskenfelder der beiden Querarme und der Seitenschiffe sind inhaltlich auf die jeweiligen Altäre bezogen.
Hochaltar
1947 – 53 schuf der Münchner Akademieprofessor Josef Henselmann einen neuen Hochaltar für den Dom St. Stephan. Er stellt, wie das Deckenfresko, die Steinigung und die Vision des hl. Stephanus dar. Auf einem hohen Sockel steht eine monumentale Figurengruppe aus Pappelholz mit aufgehämmerten Silberbelch. In der Mitte ist der nach oben blickende Stephanus zu sehen, umringt von zwei Männern, die im Begriff sind, große Steine zu werfen. Links davon steht als Zeuge des Geschehens Saulus, rechts ein Pharisäer. Die Realistik der Figuren ist durch eine unbestimmt-archaische Stilisierung mit einer Tendenz zur Verblockung zurückgenommen.
Über dieser Szenerie erhebt sich ein Kreuz mit Gott Vater, Sohn und Hl. Geist sowie als liegende Figuren „Ecclesia“ und „Synagoge“.
Der von Henselmann geschaffene Hochaltar zählt zu den bedeutendsten Werken der deutschen christlichen Kunst des 20. Jahrhunderts.
Ebenfalls ein Werk Henselmanns ist der Zelebrationsaltar aus Ruhpoldinger Marmor. Er stammt aus dem Jahr 1961.
Altäre im Querschiff
Die beiden Altäre im Querschiff aus den Jahren 1684 – 1688 stammen von Giovanni Battista Carlone. Sie sind in Stuccolustro ausgeführt und zeigen als Altargemälde auf der Nordseite die Himmelfahrt Mariens, welche Francesco Innozenzo Turriani zugeschrieben wird, sowie auf der Südseite den hl. Valentin und das Martyrium des hl. Maximilian, geschaffen von dem Flamen Frans de Neve.
Altäre in den Seitenschiffen
Die jeweils vier Altäre in den Seitenschiffen stammen wiederum von Giovanni Battista Carlone und seiner Werkstatt. Die Aufbauten bestehen aus Marmor bzw. Stoccolustro, die Antependien wurden in Scagliola-Technik hergestellt.
Die Gemälde der Seitenaltäre nehmen im barocken Wiederaufbau des Doms eine Sonderstellung ein, da sie nicht von italienischen, sondern von deutschen Künstlers erschaffen worden. Sie geben Zeugnis von der beachtlichen Qualität der deutschen Malerei des 17. Jahrhundets.
Im Nordseitenschiff zeigt – im Osten beginnend – das erste Altarbild die Bekehrung des Saulus und das Oberbild den heiligen Petrus als Büßer. Johann Michael Rottmayr hat diese Bilder im Jahr 1693 erschaffen.
Das Altarblatt des zweiten nördlichen Seitenaltars, ebenso aus dem Jahr 1693, stammt von Johann Karl Resler von Reslfeld und stellt den hl. Martin dar, als Almosen austeilender Bischof. Das dritte Altarbild hat das Thema der Anbetung der Hirten. Johann Andreas Wolff hat es 1698 gemalt. Das aus dem Jahr 1695 stammende vierte Altarbild im nördlichen Seitenschiff ist ebenfalls Johann Michael Rottmayr zuzuschreiben und zeigt die Auffindung des hl. Sebastian durch die hl. Irene nach seinem Martyrium.
Das südliche Seitenschiff beginnt im östlichen Altar mit einem weiteren Werk von Johann Michael Rottmayr aus dem Jahr 1693.Es stellt die Enthauptung des hl. Johannes des Täufers dar. Auch im Oberbild ist dieser Heilige zu sehen. Der zweite südliche Seitenaltar zeigt die mystische Verlobung der hl. Katharina von Alexandria im Beisein der hl. Margareta. Das Gemälde wird Johann Karl Resler von Reslfeld zugeschrieben.
Johann Caspar Sing erschuf 1697 das Altarblatt des dritten Altars mit der Anbetung der Heiligen Drei Könige. Das letzte Altarbild im südlichen Seitenschiff aus dem Jahr 1694 stammt wiederum von Johann Michael Rottmayr und ist dem Martyrium der heiligen Agnes gewidmet. Das Oberbild zeigt die heiligen Dorothea, Crysta und Callista.
In die Reihe der Seitenaltäre fügen sich beidseitig jeweils im mittleren Joch die Seitenportale ein. Sie nehmen die Gliederungs- und Dekorationselemente der Seitenaltäre in einer neuen Komposition auf. Die Portale sind Werke des aus Como stammenden Meisters Andrea Solari und wurden 1692/93 erstellt.
Kanzel
Die glanz- und mattvergoldete Kanzel der Passauer Kathedrale ist um 1726 in Wien entstanden und wurde vom Tischler Johann Georg Series aufgestellt. Der Entwurf geht zurück auf den Wiener Hoftheatralingenieur Antonio Beduzzi; die Ausführung lag beim Hofbildhauer Lorenzo Mattielli bzw. seiner Werkstatt. Die Kanzel ist ein hervorragendes Zeugnis der Wiener Hofkunst.
Am Korpus der Kanzel sind die vier Evangelisten und ein Flachrelief einer thronenden Frauengestalt, die mit dem Opferlamm Christi als Sinnbild der siegreichen Kirche Jesu Christi verstanden werden darf. Das Relief an der Rückwand zeigt den 12-jährigen Jesus lehrend im Tempel, links und rechts davon sind zwei allegorische weibliche Figuren mit Leidenswerkzeugen und Kelchen. Zwei Engelsfiguren sitzen mit Gesetzestafeln und Kreuz – Symbole für den Alten und den Neuen Bund – auf dem Schalldeckel.
Neugestaltung des Innenraums durch die Gebrüder Hafner
In den Jahren 1972 – 80 erfolgte eine grundlegende Renovierung des Innenraumes mit moderner Gestaltung des Chorraumes. Maßgeblich waren in diesen Prozess die Gebrüder Leopold Hafner (Bildhauer) und Franz Hafner (Architekt) involviert. Ihnen ist neben der Neugestaltung des Chorgestühls, des Chororgelgehäuses, des Ambos sowie des Bischofsthrons auch die Überarbeitung der Priestersitze und die Gestaltung einer Andachtsecke mit Marienort unter der Empore zu verdanken.
Literatur
- Möseneder, Karl (Hg.): Der Dom in Passau. Vom Barock zur Gegenwart. Passau 1995.
- Dehio, Georg: Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Bayern II, Niederbayern. München 2008.
- Hauck, Michael und Wurster, Herbert (Hgg.): Der Passauer Dom des Mittelalters. Vorträge des Symposiums Passau, 12. Bis 14. März 2007. Passau 2009.
- Möseneder, Karl: Der Dom zu Passau. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Regensburg 2015.